Von Hühnern, Mäusen und Menschen: Warum Männer fremdgehen
Sexuelle Untreue hat offenbar auch biochemische Gründe. Der Coolidge-Effekt lässt sich bei Tieren und Menschen beobachten. Vor allem bei Männern.
Hahn im Hormonrausch: Neue Partnerinnen beflügeln den Sexualtrieb.
Die Präriewühlmaus ist ein schlimmer Finger – und uns vielleicht ähnlicher, als wir glauben. Eigentlich leben die kleinen Nager in festen Beziehungen und sind selbst über den Tod hinaus treu. Wenn aber Alkohol ins Spiel kommt, riskiert vor allem er gern mal einen Seitensprung. Das hat ein amerikanisches Forschungsteam herausgefunden. Die Neurobiologen wollten im Tierversuch herausfinden, wie Alkohol unser soziales Leben beeinflusst und ließen hierzu die Mäuse tief ins Glas schauen.
Treue im Tierreich ist selten. Für die Fortpflanzung ist sie nicht unbedingt zielführend. Wie aber sieht es beim Menschen aus? Bis heute streitet die Wissenschaft darüber, ob Monogamie in unseren Genen liegt oder eine gesellschaftliche Erfindung ist. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov glauben nur 25 Prozent der Männer und Frauen in Deutschland, dass der Mensch von Natur aus monogam ist.
Ebenso strittig ist die Frage, wer häufiger fremdgeht: Männer oder Frauen? Einer repräsentativen Studie der Online-Partnervermittlung ElitePartner zufolge nimmt die Untreue in Deutschland allgemein zu. Und Frauen gehen häufiger fremd – häufiger als noch vor ein paar Jahren und auch häufiger als Männer.
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Fremdgehen: Männer und Frauen ticken anders
Dabei zeigen sich klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wie die Partnervermittlung ermittelt hat. Denn offenbar gehen Frauen vor allem aus emotionalen Gründen fremd. Zum Beispiel weil sie sich in ihrer Partnerschaft nicht mehr glücklich fühlen. Männer dagegen suchen vor allem sexuelle Abwechslung.
„Der sexuelle Reiz des Neuen ist bei Männern stärker ausgeprägt, die sexuelle Anziehung sogar deutlich häufiger Auslöser fürs Fremdgehen als bei Frauen“, sagt Diplom-Psychologin Lisa Fischbach von ElitePartner. Warum aber können viele Männer dem Reiz des Neuen nicht widerstehen?
Eine mögliche Antwort liefert eine Anekdote über einen früheren US-Präsidenten. Calvin Coolidge (1872-1933) besichtigte mit seiner Frau eine Hühnerfarm. Erstaunt darüber, dass es nur einen einzigen Hahn im Stall gab, wollte die First Lady wissen, wie man denn auf diese Weise so viele Eier produzieren könne.
Man erklärte ihr, dass sich der Hahn viele Male am Tag paare. Die Präsidentengattin erwiderte trocken: „Sagen Sie das meinem Mann.“ Doch auch Mr. Coolidge ließ sich nicht lumpen: „Jedes Mal dieselbe Henne?“, wollte er wissen. „Nein“, antwortete der Farmer. „Jedes Mal eine andere.“ Darauf der Präsident: „Sagen Sie das meiner Frau.“
Der Coolidge-Effekt: Abwechslung steigert die Lust
Jahrzehnte später gab das launige Ereignis auf dem Hühnerhof einem biochemischem Untreue-Phänomen seinen Namen: dem Coolidge-Effekt. Er besagt, dass der sexuelle Appetit auf Dauer abnimmt, wenn man immer nur denselben Geschlechtspartner hat. Im Gegenzug heißt das: Wer für Abwechslung sorgt, steigert die Lust.
Verantwortlich dafür ist offenbar das Hormon Dopamin. Es wird im Gehirn produziert und löst Glücksgefühle aus. Der Grund: Das Gehirn hat ein Belohnungssystem, das unser Verhalten steuert. Dopamin wird unter anderem ausgeschüttet, wenn Reize auftreten, die eine Belohnung erwarten lassen. Das können anziehende Geschlechtspartner sein, Süßigkeiten oder auch Drogen. Vorfreude ist eben die schönste Freude. Das Glücksgefühl motiviert dann dazu, den auslösenden Reiz immer wieder aufs Neue zu suchen – im Extremfall bis zur Sucht.
Dopamin-Kick für Ratten
Amerikanische Forscher hatten den Coolidge-Effekt 1956 in einem Experiment mit Ratten nachgewiesen. Dabei stellten sie fest, dass ein Rattenmännchen relativ schnell das Interesse an der Begattung desselben Weibchens verlor. Setzte man ihm allerdings andere Weibchen vor, besprang es diese sofort stürmisch. Nach der erneuten Hormondusche fiel die sexuelle Aktivität dann wieder schlagartig ab – bis ein neues Rattenweibchen einen weiteren Dopamin-Kick auslöste.
Spätere Experimente mit Hamstern zeigten, dass sich der Coolidge-Effekt auch bei weiblichen Tieren beobachten lässt – wenngleich um einiges schwächer ausgeprägt.
Aus evolutionsbiologischer Sicht erfüllt das Verhalten vermutlich eine wichtige Funktion. Es sorgt dafür, dass ein Individuum sein Erbgut möglichst effizient weitergeben und breit streuen kann. Wenn ein Rattenmännchen dagegen ständig mit dem gleichen Weibchen kopulieren würde, könnte es nicht so viele Nachkommen zeugen. Der Fortpflanzungserfolg wäre viel geringer.
Beim modernen Menschen sieht das natürlich anders aus. Eine glückliche Paarbeziehung ist den meisten Menschen vermutlich wichtiger als ungezügelte Vermehrung.