Können Tiere sprechen lernen?

Hunde kommunizieren über Sprechbuttons, Schimpansen rufen sich satzähnliche Laute zu. Ist die menschliche Sprache wirklich einzigartig?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 21. Nov. 2024, 10:56 MEZ
Ein kleiner Schimpanse scheint zu gestikulieren und zu sprechen.

Was will er uns mitteilen? Schimpansen und viele andere Tiere haben eine erstaunliche Kommunikationsfähigkeit.

Foto von Patrick Rolands / stock.adobe.com

Hündin Stella kann sprechen. Zumindest sagt das die amerikanische Sprachtherapeutin Christina Hunger. Mit ihrem Buch „Wie ich meinem Hund das Sprechen beibrachte“ landete sie einen Bestseller. Darin schildert sie, wie sie eine Methode entwickelte, um sich mit ihrem Haustier zu unterhalten. 

Hunger verwendet dazu sogenannte Soundboards oder Hundebuttons. Das sind einfache elektronische Tastenbretter, die auf Knopfdruck zuvor aufgezeichnete Wörter abspielen, zum Beispiel „Water“ oder „Outside“. Wenn Stella Durst hat oder einen Spaziergang machen will, drückt sie mit der Pfote den entsprechenden Buzzer. Dazu muss sie natürlich die Wörter kennen und mit den Buttons vertraut sein. Das setzt intensives Training voraus. Stella beherrsche inzwischen ganze Sätze und mehr als 50 Wörter, erklärt Hunger. 

Hunde wie Stella sind Stars auf TikTok und anderen Videoplattformen. Auch die Wissenschaft interessiert sich für sie. Ein Forschungsteam der University of California in San Diego hat untersucht, ob die Hundebuttons tatsächlich funktionieren. Fazit der Studie: Hunde verstehen die Wörter der Soundboards. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Tiere die aufgezeichneten Begriffe „erkennen und angemessen darauf reagieren“.

Wie Tiere sich unterhalten

Für Hundebesitzer dürfte das keine Überraschung sein. Auch ohne Soundboard erleben sie täglich, wie gut die Kommunikation zwischen Mensch und Tier funktioniert. Viele Vierbeiner kennen dutzende Wörter und Kommandos. Und sie nehmen auch genau wahr, wie man mit ihnen spricht. Tonlage, Lautstärke und Körperhaltung spielen eine große Rolle.

Die Tierwelt hat erstaunliche Wege der Kommunikation entwickelt. Manche Tiere verständigen sich vorrangig mit Geräuschen, andere über Gerüche oder die Körpersprache. Jede Art hat ihre eigene Methode. 

Pottwale unterhalten sich mit Klicklauten, die an Morsezeichen erinnern. Honigbienen kommunizieren in einer Tanzsprache miteinander. Zitteraale senden elektrische Signale, um sich untereinander auszutauschen. 

Einige Arten, darunter bestimmte Singvögel oder Affen, haben regionale Dialekte hervorgebracht. Und unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen? Die berühmte Gorilladame Koko soll mehr als 2.000 Wörter verstanden haben. Außerdem nutzte sie Gebärdensprache.

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    Die Gorilladame Koko starb im Juni 2018 im Schlaf. 1981 drehte National Geographic eine Dokumentation über Koko und ihre bemerkenswerten Fähigkeiten.

    Tiere kommunizieren, Menschen haben Sprache 

    Doch wie weit reicht das Sprachverständnis von Tieren wirklich? Und was macht menschliche Sprache eigentlich aus?

    Das Working Dog Center der University of Pennsylvania ist ebenfalls der Frage nachgegangen, was Soundboards mit Buttons über die Sprachfähigkeit von Hunden verraten. „Hunde können Symbole und Knöpfe in Verbindung mit Objekten und Handlungen richtig verwenden“, sagt Verhaltensforscherin Clara Wilson im Gespräch mit der Washington Post. „Das ist jedoch etwas ganz anderes als die Fähigkeit, Sprache in der gleichen Weise wie Menschen zu verwenden.“ 

    Menschliche Sprache basiert auf der schier unbegrenzten Kombination von Buchstaben, Silben, Wörtern und Sätzen. Andere Primaten sind nicht dazu in der Lage. Obwohl Menschenaffen hochkomplexe Fähigkeiten haben, Sprache können sie nicht. „Sprache ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Menschen“, sagt Angela D. Friederici vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. 

    Eine Elefantenkuh im Amboseli-Nationalpark in Kenia. Mit aufgeklappten Ohren und erhobenem Rüssel signalisiert sie Alarmbereitschaft.

    „Lose aneinandergereihte Wörter ergeben noch keine Sprache“

    Warum das so ist, wisse man bis heute nicht. „Wir vermuten, dass es mit bestimmten Hirnstrukturen zusammenhängt, die beim Menschen und beim Menschenaffen unterschiedlich ausgebildet sind, und dass diese Ausprägungen wiederum genetisch bedingt sind“, so die Neurowissenschaftlerin.

    Wenn Affen oder auch Hunde und Papageien Wörter lernen, würden sie ein abstraktes Symbol oder einen akustischen Reiz gedanklich mit einem Objekt verbinden. „Lose aneinandergereihte Wörter ergeben aber noch keine Sprache“, so Friederici. 

    Die entstehe erst, wenn Wörter nach festen Regeln in endlos vielen Kombinationsmöglichkeiten aneinandergefügt werden. „Tiere schaffen das nicht, selbst unsere nächsten Verwandten nicht. Affen kommunizieren, Menschen haben Sprache.“

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    Plaudernde Pottwale 

    Zwar haben Forschende des Max-Planck-Instituts und des französischen CNRS-Instituts für Kognitionswissenschaften in Lyon vor kurzem entdeckt, dass sich auch Schimpansen in satzähnlichen Lauten untereinander austauschen. Damit sei das Kommunikationssystem der Menschenaffen viel komplexer und strukturierter, als man noch vor wenigen Jahren dachte. Doch auch die deutsch-französische Forschungsgruppe unterstreicht: „Der Mensch ist die einzige bekannte Art auf der Erde, die Sprache verwendet.“

    Klar ist aber auch: Die Wissenschaft wird immer besser darin, die Kommunikation von Tieren zu verstehen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz will ein Forschungsprojekt zum Beispiel die Laute von Walen entschlüsseln. Das Team besteht aus Fachleuten für Linguistik, Robotik, maschinelles Lernen und Kameratechnik. Wer weiß: Vielleicht finden wir eines Tages tatsächlich noch heraus, worüber Pottwale so plaudern.

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