Coronavirus ist der Sargnagel für die Nerzzucht in den Niederlanden

Die Niederlande sind einer der weltweit größten Produzenten für Nerzpelze. Um das Coronavirus einzudämmen, mussten aber bereits mehr als 500.000 Tiere getötet werden.

Von Dina Fine Maron
Veröffentlicht am 30. Juni 2020, 10:11 MESZ
Seit April wurde das Coronavirus bei Amerikanischen Nerzen in 17 niederländischen Pelzfarmen nachgewiesen. Infolgedessen wurden mehr ...

Seit April wurde das Coronavirus bei Amerikanischen Nerzen in 17 niederländischen Pelzfarmen nachgewiesen. Infolgedessen wurden mehr als 500.000 der Tiere getötet.

Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

Einer der führenden Nerzproduzenten der Welt muss seine Industrie infolge der Coronavirus-Pandemie schließen. Zuletzt kam es zu steigenden Infektionsraten bei Nerzen in niederländischen Pelzfarmen. Außerdem könnten die Tiere das Virus auf zwei Farmangestellte übertragen haben. Aus diesen Gründen sahen sich die Niederlande dazu gezwungen, ihre Pläne zur Stilllegung der Nerzindustrie, die eigentlich für 2024 angestrebt war, zu beschleunigen. Am 23. Juni stimmte das Parlament für die sofortige Einstellung der Nerzzucht und eine Entschädigung der Pelzfarmer.

Der Zeitplan für die Schließung steht noch nicht fest, ebenso wenig wie die Höhe der Entschädigungen. Tierschutzgruppen rechnen aber damit, dass die Schließung bis Ende des Jahres erfolgen wird. Die Tötung der Tiere hat bereits begonnen. Seit dem 5. Juni sind fast 600.000 der 800.000 Nerze in den Niederlanden mit Kohlenmonoxid erstickt worden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, erklärt Fur Europe, eine in Brüssel ansässige Industriegruppe, die Pelztierzüchter und -hersteller vertritt.

Die Niederlande sind laut der Humane Society International nach China, Dänemark und Polen der viertgrößte Produzent von Nerzpelzen. Aufgrund von Tierschutzbedenken stimmte die Regierung 2013 für die Schließung von mehr als hundert Farmen, die die 100 Millionen Dollar schwere Nerzpelzindustrie des Landes versorgen. Den Betreibern wurde eine Frist bis zum 1. Januar 2024 eingeräumt, um den Betrieb einzustellen.

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Die Pelztiere werden in der Regel in kleinen Drahtkäfigen aufgezogen; oft werden Tausende von Tieren auf- und nebeneinandergestapelt. Umwelt- und Tierschutzgruppen kritisieren diesen Industriezweig seit Langem als unmenschlich. Viele andere lehnen Pelz aus moralischen und ethischen Gründen ab und argumentieren, dass er für die meisten Menschen mehr Luxus als Notwendigkeit sei.

Seit dem Jahr 2000 haben mindestens acht europäische Länder die Pelztierzucht verboten. Nun hat die Sorge um die öffentliche Gesundheit den Kritikern einen neuen Grund gegeben, sich gegen die Industrie zu stellen.

„Es ist ein riesiger Durchbruch. Die Tötung von Tieren wegen ihres Fells geht in den Niederlanden endlich zu Ende“, sagte die niederländische Gesetzgeberin Esther Ouwehand in einer Erklärung zur Abstimmung im Parlament. „Abgesehen davon, dass sie moralisch verwerflich ist, ist die Nerzzucht jetzt einfach unhaltbar, weil sie eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellt.“

Coronavirus auf Pelzfarmen

Das neuartige Coronavirus wurde erstmals im April 2020 auf zwei Nerzfarmen in den Niederlanden nachgewiesen. Tests der Regierung ergaben später, dass das Virus auf nicht weniger als 15 weiteren Pelzfarmen im Land vorhanden war. Weitere staatliche Nachforschungen deuteten darauf hin, dass Nerzfarmen der erste bekannte Ort einer wahrscheinlichen Übertragung des Coronavirus vom Tier auf den Menschen waren.

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    Mitte Juni kündigte Dänemark – wo Coronavirus-Infektionen auf zwei Nerzfarmen festgestellt wurden – Pläne zur Tötung von 11.000 Tieren in einer betroffenen Farm an. Auf mehr als 100 weiteren Farmen sollen Stichprobenkontrollen durchgeführt werden. In den 1.500 Pelzfarmen des Landes leben um die 19 Millionen Nerze. Im Gegensatz zu den Niederlanden hat Dänemark jedoch kein Gesetz zur Schließung seiner riesigen Pelzfarmindustrie verabschiedet. 2009 begann es aber immerhin damit, den Markt für Fuchspelze langsam zu schließen (den Plänen zufolge soll er bis 2023 vollständig abgeschafft sein).

    Bislang haben keine anderen Länder mit einer Nerzindustrie Pläne angekündigt, ihre Pelztiere zu töten oder die Nerzfarmen zu schließen. Mick Madsen, der Leiter der Kommunikationsabteilung von Fur Europe, macht sich keine Sorgen um die Zukunft der Nerzindustrie und spielt die Rolle des Nerzes bei der Übertragung des Coronavirus herunter. „Man kann sehen, dass die Biosicherheitsmaßnahmen [in anderen Ländern] funktionieren“, sagt er. „Nerzfarmen sind nicht für die Verbreitung des Coronavirus verantwortlich. Menschen verbreiten das Virus.“

    Abschied vom Pelz

    Gemäß der niederländischen Verfassung muss ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz vom König und dem zuständigen Minister oder Staatssekretär unterzeichnet werden, um in Kraft zu treten. Wird der Parlamentsbeschluss gebilligt, was laut der Humane Society International wahrscheinlich ist, werden die Beamten im Anschluss Einzelheiten ausarbeiten, beispielsweise den Zeitplan für die Schließungen und Entschädigungen für Nerzfarmerbesitzer.

    „Wir glauben nicht, dass dies ohne die Zustimmung der Pelzfarmer Gesetz werden kann“, und diese hänge von der Höhe der Entschädigung ab, die ihnen angeboten wird, sagt Madsen.

    Die Entschädigung der Pelzfarmer, die von der Pandemie betroffen sind, hat sich zu einem politisch umstrittenen Thema entwickelt, da die Branche bis 2024 ohnehin auslaufen sollte – ohne Entschädigung. Die Nutzung von Steuergeldern für eine Industrie, die von einigen Gesetzgebern als unethisch bezeichnet wird, hat im Parlament zu hitzigen Debatten geführt.

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    Viele europäische Länder haben in den letzten Jahren ihre Pelzfarmindustrien eingestampft – nicht selten zugunsten des Tierschutzes. Österreich, Belgien, Luxemburg, Slowenien, Kroatien, die Tschechische Republik, die Slowakei und das Vereinigte Königreich haben die Pelztierhaltung verboten. In Irland wird das Verbot aktuell noch auf den Weg gebracht. Und in Bulgarien und Litauen wurden kürzlich Legislativvorschläge zur Beendigung der Pelztierzucht vorgetragen.

    Deutschland hat zwar kein Verbot der Pelztierzucht erlassen, dafür aber strenge Tierschutzbestimmungen eingeführt, die die Branche wirtschaftlich unrentabel machten, sagt PJ Smith, Direktor für Modepolitik bei der Humane Society International. Alle verbleibenden Pelzfarmen im Land wurden im vergangenen Jahr effektiv zur Schließung gezwungen.

    Der Widerstand gegen die Pelztierzucht beschränke sich aber nicht auf die EU, sagt Smith. „Direkt hinter unseren EU-Grenzen haben Norwegen, Serbien, die Republik Mazedonien und Bosnien und Herzegowina ebenfalls die Pelzproduktion verboten.“ Und mit der Schließung des niederländischen Nerzsektors werden vier Millionen Pelze weniger auf dem Markt sein.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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