Gesichtskrebs bei Beutelteufeln scheint abzunehmen

Jahrzehntelang dezimierte die grausige Krankheit die Bestände der Tasmanischen Teufel stark. Nun scheint die Infektionsrate zu sinken.

Von Jason Bittel
Veröffentlicht am 14. Dez. 2020, 15:51 MEZ
Ein Beutelteufel steht 2008 auf einem Baumstamm im Something Wild Animal Sanctuary in Tasmanien.

Ein Beutelteufel steht 2008 auf einem Baumstamm im Something Wild Animal Sanctuary in Tasmanien. Viele der Tiere hier wurden von ihren Eltern getrennt, die an Gesichtskrebs leiden.

Foto von Dave Walsh, Alamy

Seit fast einem Jahr – seit die ersten Fälle von COVID-19 bekannt wurden – gibt es in den Nachrichten vor allem ein Thema: Viren. Doch schon seit drei Jahrzehnten leiden die Beutelteufel Tasmaniens an ihrer eigenen Pandemie – einem grausamen Gesichtskrebs, der durch Bisse übertragen wird.

Die Tumore des Tasmanischen Teufels, wie er auch genannt wird, verursachen Schwellungen im Mundbereich, wodurch betroffene Tiere schließlich verhungern. Und im Gegensatz zu fast allen anderen Krebsarten ist diese Form ansteckend.

Die Erkrankung wird als Devil Facial Tumour Disease (dt.: beutelteufeltypische Gesichtskrebserkrankung) bezeichnet und mit DFTD abgekürzt. Seit ihrem Auftreten hat sie den Bestand der Art von 140.000 Tieren auf etwa 20.000 reduziert. Die Krankheit kann sich leicht ausbreiten, da sich die angriffslustigen Tiere während der Paarungszeit oder beim Kampf um Nahrungsressourcen – hauptsächlich Aas – oft gegenseitig beißen.

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Brian, ein Tasmanien-Bürstenrattenkänguru, ist das Aushängeschild für unerforschte, australische Tierarten und gibt den Namenlosen ein Gesicht.

Viele Experten befürchten, dass die weitere Ausbreitung der Krankheit die Art schließlich an den Rand der Ausrottung treiben wird. Um dem entgegenzuwirken, haben Wissenschaftler Beutelteufel in Gefangenschaft gezüchtet und Anfang des Jahres 26 der Tiere auf dem australischen Festland wiederangesiedelt. Die knapp 80 Zentimeter langen Raubtiere waren einst auf dem australischen Festland und Tasmanien weit verbreitet. Bis zu dem Wiederansiedelungsprojekt gab es jedoch lange Zeit nur noch auf Tasmanien eine wildlebende Population.

Eine neue Studie zur Genomik des Krebses, die in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, bietet nun einen seltenen Lichtblick: Die Infektionsrate der Krankheit unter wilden Beutelteufeln ist seit ihrem ersten Auftreten stark zurückgegangen. Das deutet darauf hin, dass Tasmanische Teufel mit der Krankheit koexistieren könnten.

„Das ist potenziell wirklich aufregend, denn das bedeutet, dass die Krankheit sich nicht mehr so rasant in den natürlichen Populationen ausbreitet wie früher“, sagt der Studienleiter Austin Patton, ein Evolutionsbiologe an der University of California, Berkeley. „Sie verlangsamt sich.“

Übertragungsrate stagniert

Wissenschaftler entdeckten diese Krebserkrankung erstmals 1996, obwohl sie wahrscheinlich schon in den Siebzigern oder Achtzigern entstanden ist. Im Jahr 2015 kamen die Forscher zu dem Schluss, dass es sich tatsächlich um zwei separate Erkrankungen handelt, die als DFT1 und DFT2 bezeichnet werden. Obwohl beide Varianten praktisch nicht unterscheidbare Tumore verursachen, sind die beiden Krebsarten genetisch unterschiedlich. Sie haben auch unabhängige Ursprünge: DFT2 entstand in einem männlichen Beutelteufel am entgegengesetzten Ende der Insel, an dem DFT1 erstmals in einem Weibchen auftrat.

„Die Entdeckung von DFT2 durch unsere Gruppe war für uns eine große Überraschung, wenn man bedenkt, wie selten übertragbare Tumore bei Wirbeltieren sind“, sagt Bruce Lyons. Der Immunologe von der Universität von Tasmanien ist ein Mitautor dieser Studie, die in „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde.

Bislang sind nur eine Handvoll infektiöser Krebsarten in der Natur bekannt – darunter eine, die Haushunde befällt, und eine weitere, an der Sandklaffmuscheln leiden.

BELIEBT

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    Um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, wie sich DFT1 durch die Beutelteufelpopulation bewegt, nutzten Patton und seine Kollegen eine Technik namens Phylodynamik. Sie wird typischerweise zur Untersuchung von Viren verwendet.

    Phylodynamische Ansätze rekonstruieren, wie sich ein Erreger über die Zeit ausbreitet und entwickelt, indem seine Gene analysiert werden. Für diese Analyse verwendete Pattons Team Proben von 51 Tumoren Tasmanischer Teufel, die in den frühen 2000er Jahren gesammelt wurden.

    Um 2003 herum, als die Probenahme begann, fand das Team heraus, dass sich der Krebs mit einem Faktor von etwa 3,5 ausbreitet, sagt Patton. Das bedeutet, dass jeder infizierte Tasmanische Teufel diese Infektion wahrscheinlich an 3,5 andere glücklose Tiere weitergab.

    Ein Beutelteufel, der von dem Gesichtskrebs befallen ist, liegt in den Neunzigern neben einem Kadaver.

    Foto von Dave Watts, Nature Picture Library

    Im Jahr 2018, als die letzte Probe entnommen wurde, fanden Patton und Kollegen jedoch heraus, dass der Faktor inzwischen auf etwa 1 gesunken ist. Das bedeutet, dass der Krebs die Art wahrscheinlich nicht ausrotten wird, sagt er.

    Es muss sich aber nicht zwingend um eine gute Nachricht handeln, warnt er. Die geringere Übertragungsrate könnte einfach darauf zurückzuführen sein, dass sich der Krebs bei so wenigen verbliebenen Teufeln nicht so effektiv ausbreiten kann. Die Studie untersuchte auch nicht den DFT2, dessen Infektionsrate unbekannt bleibt.

    Ein komplexer Krebs

    Eine andere Studie, die im November in „PLOS Biology“ veröffentlicht wurde, legt nahe, dass die Angelegenheit dieser Krebserkrankung noch komplizierter ist.

    Die Genetikerin Elizabeth Murchison von der University of Cambridge und ihre Kollegen fanden heraus, dass es fünf verschiedene Typen von DFT 1 gibt. Und sie alle können denselben Beutelteufel befallen. Man müsse sich das so ähnlich vorstellen, wie wenn sich Brustkrebs in das Gehirn, die Lunge und die Leber ausbreitet, erklärte Murchison in einer E-Mail: „DFT1 ist in der Population der Teufel gewissermaßen ‚metastasiert‘.“

    Und diese genetischen Unterschiede können beeinflussen, wie gut sich die Art erholt.

    Lyons arbeitet beispielsweise an einem Impfstoff, der verhindern soll, dass die Beutelteufel Artgenossen mit der Krankheit infizieren. Aber er muss dabei solche genetischen Komplexitäten berücksichtigen, was die ganze Sache noch schwieriger machen könnte.

    Ebenso könnte die Wiederauswilderung von Beutelteufeln nach hinten losgehen, wenn den in Gefangenschaft gezüchteten Tieren bestimmte evolutionäre Anpassungen fehlen, die ihnen helfen, die Krankheit zu bekämpfen.

    Aus genau diesem Grund wurden die in Gefangenschaft gezüchteten Beutelteufel seit 2016 nicht mehr in Tasmanien ausgewildert, sagt Carolyn Hogg, eine Naturschutzbiologin an der University of Sydney. Die Population, die jüngst auf dem australischen Festland angesiedelt wurde, ist hingegen nie in Kontakt mit der Krebserkrankung gekommen.

    „Die Bestände halten sich trotz der Krankheit“ und anderer Bedrohungen für ihre Zukunft, wie Inzucht, Fragmentierung des Lebensraums, Fahrzeugkollisionen und mehr, sagt Hogg.

    Trotz alledem geben Naturschützer die Tiere daher nicht auf: „Die Leute, die mit den Teufeln in freier Wildbahn arbeiten, sind vorsichtig optimistisch.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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