Haustiere helfen uns durch die Pandemie – selbst wenn sie das stresst

Einige Haustierbesitzer beobachteten während des Lockdowns Verhaltensänderungen bei ihren Schützlingen.

Von Rachel May
Veröffentlicht am 5. Feb. 2021, 11:17 MEZ, Aktualisiert am 5. Feb. 2021, 13:21 MEZ
Therapiehund

Ein Therapiehund namens Casey kuschelt mit seiner Besitzerin. Der sibirische Husky war für die gesamte Familie aus Massachusetts während der Coronavirus-Pandemie eine Stütze.

Foto von Hannah Reyes Morales

Noch ist kein schnelles Ende der Pandemie in Sicht. Während viele Menschen also weiterhin mehr oder minder allein im Lockdown ausharren, finden sie oft Trost und Gesellschaft bei ihren Haustieren.

Die neue Wertschätzung für tierische Begleiter lässt sich sogar statistisch erfassen. Weltweit stieg die Nachfrage nach Haustieren, die man entweder adoptieren oder als Pflegestelle aufnehmen kann, von Kanada bis Indien. Zwischen März und September 2020 stieg die Zahl der Pflegetiere in US-Haushalten um 8 Prozent, heißt es bei PetPoint, das Branchendaten zur Haustieradoption sammelt.

BELIEBT

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    Die Mehrheit der befragten Hautierbesitzer gab an, dass ihr Haustier sie in Zeiten der aktuellen Pandemie emotional unterstützt. 

    Foto von Taylor Maggiacomo, NGM STAFF | Quelle: ELENA RATSCHEN, PLOS ONE, SEPTEMBER 2020

    Während die gesundheitlichen Vorteile eines Haustieres bekannt sind – von der Blutdrucksenkung bis zur Stressreduzierung –, ist die Beziehung zwischen Mensch und Tier etwas komplexer. Wie Haustierbesitzer und ihre Haustiere mit den langen Lockdowns zurechtkommen, ist eine offene Frage.

    Um das herauszufinden, führten Forscher in Spanien, Israel und Großbritannien Online-Umfragen unter Haustierbesitzern durch. Ihre Studien, die in drei verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, ergaben, dass unsere tierischen Freunde insgesamt für zusätzlichen Trost gesorgt haben.

    Aber die Untersuchung zeigte auch einige beunruhigende Entwicklungen auf: Pandemische Einschränkungen lassen Haustierbesitzer um das Wohlbefinden ihrer Lieblinge bangen. Und nicht nur das: Einige Haustiere zeigen Anzeichen von Stress, darunter vermehrtes Bellen, Angst vor lauten oder plötzlichen Geräuschen sowie Unruhe, wenn sie allein zu Hause sind.

    Im April 2020 befragte der Verhaltensberater Jon Bowen vom Royal Veterinary College in London 1.297 Hunde- und Katzenbesitzer in Spanien zu ihren Gefühlen gegenüber ihren Haustieren und dem Verhalten ihrer Tiere in letzter Zeit. Die meisten Besitzer sagten, dass ihre Haustiere während der Pandemie eine „wesentliche Unterstützung“ gewesen seien. Dennoch gaben 62 Prozent der Befragten an, dass die Lebensqualität ihres Tieres abgenommen habe. Etwa 41 Prozent berichteten auch, dass sie während der Pandemie Verhaltensänderungen bei ihren Tieren beobachtet haben, insbesondere bei Hunden, die schon in der Vergangenheit Verhaltensprobleme gezeigt hatten.

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    Zahlreiche Forschungsergebnisse zeigen, dass Hunde eigene Emotionen haben und sich von den Emotionen ihrer Halter anstecken lassen können. Das trifft vor allem zu, wenn der Halter emotional von ihnen abhängig ist, sagt Bowen, dessen Studie im Mai 2020 im „Journal of Veterinary Behavior“ erschien.

    „Es war wirklich interessant, dass die Ergebnisse der drei Studien bemerkenswert ähnlich sind“, sagt Emily McCobb. Die klinische Professorin an der Cummings School of Veterinary Medicine der Tufts University war an keiner der Studien beteiligt. „Sie sind dem sehr ähnlich, was wir hier [in den USA] zu hören bekommen, zumindest anekdotisch.“

    „Die Menschen adoptieren immer mehr Haustiere. Und sie finden, dass ihre Tiere ihnen dabei helfen, mit der Isolation umzugehen“, sagt McCobb. In ihrer Tierarztpraxis „sehen wir, dass bei Tieren, die Verhaltensprobleme hatten, diese anscheinend schlimmer werden“.

    Neue Sorgen unter Haustierhaltern

    Im April und Juni 2020 befragte Elena Ratschen, eine Dozentin an der englischen University of York, 5.926 Menschen in Großbritannien zu ihrer psychischen Gesundheit, ihrem Wohlbefinden und ihrer Einsamkeit sowie zu ihrer Bindung und Interaktion mit ihren Haustieren.

    Die Umfrage, die im September 2020 in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ veröffentlicht wurde, umfasste alle Haustiere, darunter Fische, Vögel, Hunde, Katzen und Kleinsäuger. Die meisten Befragten – darunter 91 Prozent der Hundebesitzer, 89 Prozent der Katzenbesitzer und 95 Prozent der Pferde- und Nutztierbesitzer – gaben an, dass ihre Haustiere „eine wichtige Quelle der emotionalen Unterstützung darstellen“, so Ratschen.

    Personen, die eigenen Angaben zufolge vor der Pandemie anfälliger für psychische Probleme waren, gaben an, dass sie während der Pandemie eine stärkere Bindung zu ihrem Tier erlebten.

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    Darüber hinaus fühlten sich Haustierbesitzer insgesamt weniger einsam und isoliert als die Befragten, die keine Haustiere besaßen. Das könnte auf einen „Puffereffekt“ zurückzuführen sein: Haustiere können unsere sozialen Interaktionen mit anderen Menschen zwar nicht ersetzen, aber sie können helfen, diese Lücke zu füllen, sagt Ratschen.

    Doch sowohl die spanische als auch die britische Studie stellten neue Ängste bei den Haustierbesitzern fest. Dazu gehörte die Frage, ob ihr Hund genug Auslauf bekommt, die Möglichkeit zum Kauf von Tierfutter, der Zugang zu tierärztlicher Versorgung und die Frage, wer sich um das Tier kümmert, wenn die Besitzer krank werden. Ein weiterer Quell der Sorge war die Ungewissheit, wie sich ihr Haustier an das Leben nach der Pandemie anpassen wird.

    Welpen sind keine Wundermittel

    Ihre Ergebnisse stützen aber nicht die weit verbreitete Annahme, dass Haustiere uns vor einer Verschlechterung unserer psychischen Gesundheit und größerer Einsamkeit schützen, behauptet Ratschen.

    „Die Belege für den Nutzen von Haustieren sind im Allgemeinen gemischt. Das gilt sowohl für die Forschungsergebnisse vor der Pandemie als auch während der Pandemie, weil die Menschen eine Menge Sorgen und Bedenken in Bezug auf ihre Haustiere haben.“

    Mit anderen Worten: Es ist nicht unbedingt so, dass die Anschaffung eines Welpen einem hilft, die Pandemie gesünder zu überstehen, wie es viele vielleicht glauben.

    Die Assistenzprofessorin Megan K. Mueller, die an der Cummings School of Veterinary Medicine der Tufts University Mensch-Tier-Interaktion erforscht, stimmt dem zu.

    „In einigen Medien sehe ich Ratschläge wie: ‚Einsam während der Pandemie? Sie sollten sich ein Haustier zulegen!‘ Aber so einfach ist das nicht, und die Wissenschaft fängt langsam an, das zu bestätigen“, sagt sie.

    Tierschicksale während und nach der Pandemie

    Als die Postdoktorandin Liat Morgan von der Universität Tel Aviv von März bis April 2020 2.906 israelische Hundebesitzer befragte, stellte sie einen signifikanten Anstieg der Adoptionsanfragen fest.

    Am bemerkenswertesten war laut Morgan, dass fast 80 Prozent der Menschen, die im Jahr 2020 einen Hund adoptiert haben, die Anschaffung bereits früher geplant hatten und „wussten, worauf sie sich einlassen“. Das bedeutet also, dass die meisten Menschen nicht einfach unbesonnen ein neues Haustier in ihr Zuhause bringen.

    Ähnlich wie Bowens Studie ergab auch Morgans Befragung, dass eine Person, die ihre Lebensqualität als verschlechtert empfand, oft auch das Verhalten ihrer Haustiere als schlechter bewertete – sogar, wenn das nicht der Fall war.

    „Es spielt keine Rolle, ob der Hund objektiv schlechtes Verhalten zeigt“, sagt Morgan. „Was zählt, ist die Einstellung der Person.“

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    Problematisches Verhalten wie beispielsweise übermäßiges Bellen sei laut der Befragung einer der Gründe, warum Menschen ihre Haustiere wieder abgeben, sagt sie.

    Glücklicherweise plant die Mehrheit der israelischen Befragten – selbst diejenigen, die das Gefühl hatten, dass ihre Lebensqualität abgenommen hat – nicht, ihre Haustiere aufzugeben. Die Studie wurde im November 2020 in der Fachzeitschrift „Humanities and Social Sciences Communications“ veröffentlicht.

    Dennoch rechnen Branchenexperten zumindest in den USA damit, dass aufgrund der Pandemie die Zahl der Haustiere steigen wird, die wieder abgegeben werden. Gründe dafür könnten beispielsweise sein, dass die Halter nicht mehr in der Lage sind, ihr Tier zu versorgen, oder weil sie keinen Zugang zu haustierfreundlichen, bezahlbaren Wohnungen haben.

    McCobb merkt an, dass lokale Regierungen und gemeinnützige Organisationen Tierbesitzer in Not unterstützen sollten, um das Aussetzen von Haustieren zu verhindern. In Kanada und anderen Ländern gibt es zum Beispiel Spendenboxen für Tierfutter.

    Die wenigen guten Seiten der Pandemie

    Die Experten betonten aber auch, dass es einige Lichtblicke in ihrer Forschung gibt.

    Trotz der Ergebnisse der spanischen Studie, die bei einigen Haustieren vermehrte Verhaltensprobleme feststellte, sagt Bowen, dass die Daten aus mehreren Ländern darauf hindeuten, dass es unseren Haustieren größtenteils gut geht.

    Bowen gibt ebenso wie Morgan zu bedenken, dass die Befragten in der spanischen Studie die Lebensqualität ihrer Hunde aus ihrer eigenen Perspektive bewerteten. Sie könnten schlichtweg folgern: Wenn sie sich selbst schlechter fühlen, müssen ihre Haustiere das wohl auch.

    „Aber wenn man sich die Auswirkungen ansieht, die die Pandemie hatte, sind viele davon nicht sehr stark ausgeprägt“, sagt Bowen. In seiner Untersuchung „zeigten fast keine Hunde neue Verhaltensprobleme. Und bereits vorhandene Verhaltensprobleme verschlimmerten sich nur selten.“

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    Mit Blick auf die Zukunft sagt McCobb: „Es wäre schön, wenn wir prüfen könnten, ob wir einige der Änderungen, die wir aufgrund der Pandemie einführen mussten, nicht beibehalten könnten“, beispielsweise das Mittagessen zu Hause zu essen oder öfter mit unseren Hunden spazieren zu gehen.

    „Es gibt kaum gute Dinge [an der Pandemie]“, sagt sie. „Also müssen wir diese wenigen guten behalten, wenn wir können.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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