Chronischer Stress kann sich auf Hunde übertragen

Unsere vierbeinigen Begleiter lassen sich von unserer Unruhe anstecken, wie eine Studie über die Stresshormone von Hunden und ihren Besitzern zeigt.

Von Carrie Arnold
Veröffentlicht am 7. Juni 2019, 16:34 MESZ
Ein Boston Terrier blickt in die Kamera. Durch Jahrtausende der Domestizierung sind Hunde mittlerweile sehr gut ...
Ein Boston Terrier blickt in die Kamera. Durch Jahrtausende der Domestizierung sind Hunde mittlerweile sehr gut darin, menschliche Emotionen zu lesen.
Foto von Hannele Lahti, Nat Geo Image Collection

Wer mit einem Hund zusammenlebt, kennt das Phänomen wohl: Ein Blick auf das freudige Gesicht und den aufgeregt wedelnden Schwanz kann selbst an den schlimmsten Tagen für gute Laune sorgen. Wenn unsere Hunde krank sind, leiden wir mit.

Eine Studie demonstriert, dass diese Beziehung keine Einbahnstraße ist: Bei Hundebesitzern, die unter chronischem Stress oder Unruhe leiden, kann sich die Gefühlslage auch auf ihre Tiere übertragen.

„Hunde sind sehr gut darin, Menschen zu lesen“, erzählt die Studienautorin Linda Roth, eine Zoologin an der schwedischen Universität Linkoping. „Sie verstehen uns definitiv besser als wir sie.“

19 Gesten, über die Hunde mit uns sprechen
Genau wie menschliche Babys nutzen auch Hunde nonverbale Kommunikation, um zu bekommen, was sie wollen.

In der Tat gibt es eine wachsende Zahl an wissenschaftlichen Publikationen, die sich mit der hündischen Fähigkeit befassen, menschliche Körpersprache zu lesen. (Wie ermöglichen wir unseren Haustieren ein gesundes, glückliches Leben?)

Diese Fähigkeit entwickelte und verfeinerte sich im Laufe zehntausender Jahre, in denen Menschen und Hunde Seite an Seite lebten. Als die Nachfahren der Wölfe erstmals domestiziert wurden, wurden jene Tiere, die am besten auf menschliche Kommunikation reagierten – sowohl auf direkte Befehle als auch auf Körpersprache –, wahrscheinlich ihren scheueren Artgenossen vorgezogen.

Allerdings hat diese Feinfühligkeit auch einen Nachteil: Wenn wir Angst haben, können auch unsere Hunde ängstlich werden.

Stressfaktor Mensch

Manche Menschen neigen von Natur aus dazu, nervöser und unsicherer zu sein und emotional stärker auf Stress zu reagieren. Roth stellte die Hypothese auf, dass Hundebesitzer, die sich selbst als eher ängstlich und nervös beschreiben, in ihrem Haustier chronischen Stress auslösen könnten.

Für die Studie rekrutierte das Team 58 Mensch-Hund-Paare aus Schweden. Unter den Tieren befanden sich 33 Shetland Sheepdogs und 25 Border Collies. Die Besitzer füllten einen Fragebogen zu ihren eigenen Persönlichkeitsmerkmalen und ihrer psychischen Gesundheit sowie den Persönlichkeiten ihrer Hunde aus.

Um das Stressniveau in Mensch und Tier über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu beobachten, maßen Roth und ihre Kollegen die Konzentration des Stresshormons Cortisol in ihren Haaren bzw. ihrem Fell. (Färben menschliche Persönlichkeiten auf Hunde ab?)

BELIEBT

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    Die Cortisolkonzentration steigt in angsteinflößenden Situationen sprunghaft an. Ihre langfristige Wirkung lässt sich anhand der nur langsam wachsenden Haare erkennen.

    Roths Team untersuchte eine ganze Reihe von Variablen wie die saisonalen Unterschiede im Aktivitätslevel und den Lebensstil. Aber das einzige Merkmal, das direkt mit dem Nervositätsgrad der Hunde zusammenhing, war die Nervosität der Besitzer. Mit anderen Worten: Besitzer, deren Haare einen hohen Cortisolwert aufwiesen, hatten auch einen Hund mit einem hohen Cortisolwert.

    Spannenderweise zeigte sich dieser Zusammenhang nur in einer Richtung. Roth fand keinen Hinweis daraus, dass nervöse Hunde auch bei ihren Besitzern zu mehr Nervosität führten, wie sich in der Studie nachlesen lässt, die in „Scientific Reports“ erschien. Im Gegensatz zum Menschen reagieren die Tiere wahrscheinlich auf feine Veränderungen im Körpergeruch ihrer Besitzer oder auf Verhaltensweisen wie Nägelkauen oder Reizbarkeit. (Lest hier, warum Hunde Angst vor Gewittern haben – und wie wir ihnen helfen können.)

    „Das hat mich zunächst überrascht. Aber der Besitzer spielt im täglichen Leben des Hundes natürlich eine sehr große Rolle, während der Besitzer noch ein Leben abseits des Hundes hat“, erklärt Roth.

    Laut Stanley Coren, einem Experten für Hundeverhalten und emeritierten Psychologen der University of British Columbia, untermauern die Studienergebnisse aktuelle Belege dafür, dass „Hunde unsere Gefühle erkennen und darauf entsprechend reagieren.“ 

    Haustiertherapie

    Die Ergebnisse sollen nun aber nicht bedeuten, dass nervöse Menschen sich keinen Hund anschaffen sollten, so Coren.

    Tatsächlich könnte etwas hündische Gesellschaft nervösen Menschen sogar dabei helfen, sich zu entspannen. Die Anxiety Disorders Association of America empfiehlt die Hundehaltung sogar als eine Möglichkeit, um mit dem Stress des Alltags besser umzugehen. Medizinische Forschungen haben gezeigt, dass die Gegenwart von Hunden den Blutdruck senken kann.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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