Schneller, schräger, schriller: Sieben skurrile Wildtiere aus Deutschland

Schlangenförmige Blutsauger, giftige Strandbewohner und die schnellste Kreatur der Welt: Mitten in Deutschland leben Wildtiere mit verblüffenden Fähigkeiten und einzigartigen Verhaltensweisen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 18. Apr. 2024, 12:18 MESZ
Mit menschlicher Flugbegleitung nach Italien: Waldrappe auf dem Weg ins Winterquartier

Mit menschlicher Flugbegleitung nach Italien: Waldrappe auf dem Weg ins Winterquartier 

Foto von Waldrappteam Conservation & Research

Inhalt: Sieben skurrile Wildtiere aus Deutschland

1. Waldrapp – per Leichtflugzeug in den Süden

Noch bis ins 17. Jahrhundert war der Waldrapp ein häufiger Anblick. Dann wurde er in Mitteleuropa komplett ausgerottet. Mit seinem nackten Kopf, dem riesigen roten Schnabel und den markanten schwarzen Halsfedern sieht der gänsegroße Ibisvogel ziemlich skurril aus. 

Außergewöhnlich ist auch die Methode, mit der Forschende ihn wieder dauerhaft in Deutschland ansiedeln wollen. Dazu laufen Auswilderungsversuche in Süddeutschland und in verschiedenen Alpenländern.

Das Problem: Der Waldrapp ist ein Zugvogel, der seine Flugroute von seinen Eltern erlernt. Im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts Life Northern Bald Ibis werden die Vögel aber von Menschen großgezogen. Die Lösung ist aufwendig: Menschliche Zieheltern geben Flugunterricht und begleiten die Jungvögel im Leichtflugzeug ins italienische Winterquartier. 

Bis zum Projektende 2028 sollen wieder mehr als 360 Waldrappe zwischen dem nördlichen Alpenvorland und der Toskana migrieren – und ihrem Nachwuchs dann selbst den Weg in den Süden weisen.

Unverkennbar mit seinem nackten Kopf, dem roten Schnabel und dem  schwarzen Federschopf: der Waldrapp 

Foto von Waldrappteam Conservation & Research

2. Neunauge – schwimmender Blutsauger mit Bohrfräse

Neunaugen sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie sehen aus wie Fische und werden oft auch als solche bezeichnet. Wissenschaftlich gesehen zählen sie aber zu den sogenannten Rundmäulern – urtümlichen Wirbeltieren, die nahezu weltweit im Wasser leben.

Auch Erscheinungsbild und Lebensweise sind ungewöhnlich. Neunaugen verdanken ihren seltsamen Namen den augenförmigen Kiemen. Ihr schuppenloser Körper erinnert an eine Schlange oder an einen Aal.

Neunaugen sind Parasiten. Mit ihren zahnbewehrten Saugmäulern haften sie sich an Fische. Dann raspeln sie deren Haut und Fleisch ab und saugen das Blut der Wirtstiere. In Deutschland gibt es drei Arten: Das bis zu einem Meter lange Meerneunauge sowie die kleineren Fluss- und Bachneunaugen.

BELIEBT

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    Parasit: Ein Neunauge mit seinem zahnbewehrten Rundmaul

    Foto von GDM photo and video / Adobe Stock

    3. Petermännchen – giftiger Strandbewohner an Nord- und Ostsee

    Klingt niedlich, ist aber ziemlich gefährlich: Das Petermännchen ist ein kleiner Fisch mit grün-hellblau geschecktem Körper. Es lebt unter anderem in der Nord- und Ostsee. Tagsüber gräbt sich der scheue Küstenbewohner gern im ufernahen Sand ein.

    Sein Verhalten macht das Petermännchen zu einem der gefährlichsten Tiere in Europa. Ein Tritt auf die giftigen Stacheln der Rückenflosse kann starke Schmerzen, Schwellungen und Lähmungen verursachen. Einige Menschen reagieren mit heftigen allergischen Reaktionen darauf.

    Weil das Gift sich ab 40 Grad zersetzt, empfehlen Fachleute, die betroffene Stelle rasch zu erwärmen. Außerdem sollte man medizinische Hilfe suchen.

    Hochgiftig: Das Petermännchen lebt unter anderem in der Nord- und Ostsee.

    Foto von Andreas / Adobe Stock

    4. Wanderfalke – das schnellste Tier der Welt

    Auf den ersten Blick wirkt der Wanderfalke nicht sonderlich skurril. Erst im Sturzflug zeigt er seine Superkraft. Mit Spitzengeschwindigkeiten von über 300 km/h ist der Greifvogel das schnellste Tier der Welt. Diese einzigartige Fähigkeit macht ihn zu einem hochspezialisierten Jäger. Seine Nahrung, vor allem mittelgroße Vögel, erbeutet er ausschließlich aus der Luft. 

    Obwohl der Wanderfalke die am weitesten verbreitete Vogelart ist, war er hierzulande schon fast ausgestorben. Schädlingsbekämpfungsmittel wie DDT lagerten sich in der Nahrungskette an und führten zum Bruch der Eierschalen. Auch andere Greifvögel wie der Seeadler litten darunter. Seit dem Verbot der Chemikalien haben sich die Bestände erholt. 

    Heute leben wieder rund 1.400 Wanderfalken-Brutpaare in Deutschland. Sogar in Großstädten kann man den Luftakrobaten inzwischen antreffen. Dort brütetet er auf Masten und Wolkenkratzern und macht Jagd auf Stadttauben.

    Wanderfalke in der Stadt: Seit einigen Jahren erobern die blitzschnellen Greifvögel den urbanen Raum. Zu ihrer bevorzugten Beute zählen Stadttauben. 

    Foto von Alexander Erdbeer / Adobe Stock

    Galerie: Bizarre Welt der Tiefsee

    5. Nosferatu-Spinne – Vampir mit acht Beinen

    Für Fachleute ist sie ein Faszinosum, für Phobiker ein Albtraum mit acht Beinen. Die Nosferatu-Spinne ist giftig, haarig und ziemlich groß. Ihre Heimat ist das westliche Mittelmeergebiet. Im Zuge der Klimaerwärmung fühlt sich der imposante Achtbeiner aber auch bei uns pudelwohl.

    Doch woher der Name? Wer genau hinsieht, blickt dem Vampir direkt in die Augen. Tatsächlich erinnert der Vorderkörper der Nosferatu-Spinne, das Prosoma, an den legendären Blutgrafen, der mit klauenartigen Händen seinem Sarg entsteigt.

    Während sich die Nosferatu-Spinne in ihrer mediterranen Heimat gern in lichten Wäldern unter Steinen aufhält, sucht sie hierzulande menschliche Nähe. Als nächtliche Jägerin dezimiert sie die Insekten im Haus. Ein Nützling also, der vielen Menschen trotzdem spinnefeind sein dürfte.

    Der obere Vorderkörper der Nosferatu-Spinne erinnert an den berühmten Vampir, der mit klauenartigen Händen seinem Sarg entsteigt.

    Foto von Eddie_McQueen / Adobe Stock

    6. Schwarzblauer Ölkäfer – Finger weg von diesem Giftzwerg

    Er ist nur drei Zentimeter groß, aber ganz schön effektiv: Fühlt sich der Schwarzblaue Ölkäfer bedroht, versprüht er ein hochwirksames Gift. Bei Hautkontakt wirkt es ätzend. Mögliche Folge: Schleimhautreizungen mit Entzündungen und Nekrosen (absterbendes Gewebe). 

    Kinder oder Haustiere, die den Käfer versehentlich verschlucken, können sogar daran sterben. Nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) sind solche Fälle allerdings nicht bekannt. Besonders häufig entdeckt man ihn laut Nabu im April und Mai im Wald oder Garten.

    Am besten, man lässt den Schwarzblauen Ölkäfer dann einfach in Ruhe oder betrachtet ihn aus der nötigen Distanz. Ohnehin ist das Insekt des Jahres 2020 streng geschützt und steht in Deutschland auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

    Fühlt sich der Schwarzblaue Ölkäfer bedroht, versprüht er ein Gift, das ätzend wirkt.

    Foto von Andreas / Adobe Stock

    7. Bayerische Kurzohrmaus – eines der seltensten Tiere der Welt

    Sie wurde erst 1962 entdeckt und als eigene Art beschrieben. In einem Waldstück bei Garmisch-Patenkirchen waren damals 23 der winzigen Nager in Lebendfallen getappt. Wenig später war die neue Spezies schon wieder verschwunden. Waldrodungen hatten den Lebensraum der Bayerischen Kurzohrmaus zerstört.

    Weltweit gab es nur ein einziges Restvorkommen in Österreich – wenn überhaupt. Trotz intensiver Suche konnten Forschende kein Exemplar mehr aufspüren. War der Phantomnager inzwischen ausgestorben?

    Vor kurzem dann ein Sensationsfund. Mit Hilfe von DNA-Analysen stieß ein Forschungsteam auf eine Population in den bayerischen Alpen bei Mittenwald. Damit ist klar: Eines der seltensten Säugetiere der Welt lebt in Bayern. Jetzt wollen Wissenschaftlerinnen und Naturschützer weitere mögliche Vorkommen der Kurzohrmaus entdecken und Gefährdungsfaktoren festzustellen. 

    Doch nicht ausgestorben: Diese Bayerische Kurzohrmaus tappte in eine Lebendfalle bei Mittenwald.

    Foto von David Stille, Stille NATUR

    Themenmonat im April: our HOME auf National Geographic

    Wir haben nur eine Erde. Zeit, unser Zuhause wertzuschätzen und noch mehr zu schützen: Unter dem Motto our HOME stellt National Geographic zum Earth Month im April 2024 besondere Geschichten und Projekte aus Deutschland vor – rund um Naturschutz sowie kulturelles Erbe und biologische Vielfalt. Weitere spannende Einblicke gibt es hier.

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