MRT-Scans offenbaren, wie Hunde denken und fühlen

Gregory Berns wollte wissen, ob sein Hund ihn wirklich liebt – oder nur die Leckerlis, die er ihm gibt. Außerdem scannte er Gehirne des ausgestorbenen Beutelwolfs.

Von Simon Worrall
Veröffentlicht am 14. Sept. 2020, 13:51 MESZ
„Vielen Wissenschaftlern fällt es schwer, die Vorstellung zu akzeptieren, dass Tiere Gefühle haben“, sagt der Neurowissenschaftler ...
„Vielen Wissenschaftlern fällt es schwer, die Vorstellung zu akzeptieren, dass Tiere Gefühle haben“, sagt der Neurowissenschaftler Gregory Berns. „Die meisten Menschen, die mit Hunden leben, verstehen diesen Fakt aber intuitiv.“
Foto von Joël Sartore, Nat Geo Image Collection

Lieben unsere Haustiere wirklich uns – oder nur die Leckerlis, die wir ihnen geben? Um das herauszufinden, ließ der Neurowissenschaftler Gregory Berns von der Emory University Hunde darauf trainieren, in einem Kernspintomographen still zu liegen. So gelang es ihm, eine Karte des Hundegehirns zu erstellen und zu beschreiben, wie die Tiere auf verschiedene Reize reagierten. Was er dabei entdeckte, beschrieb er 2017 in seinem Buch „What It's Like to Be a Dog“.

Nach seinen Forschungen an Hunden studierte Berns Seelöwen und stellte fest, dass sie Rhythmen folgen können.

Foto von Tim Lamán, Nat Geo Image Collection

Als National Geographic mit Berns sprach, erklärte er, warum sich nur schwer sagen lässt, ob Hunde die menschliche Sprache verstehen, was er von den Gehirnen vom Aussterben bedrohter Tiere zu lernen hofft und warum Seelöwen gute Tänzer sind.

Noch vor einem Jahrzehnt wäre die Vorstellung, dass Hunde und andere Tiere Gefühle haben, belächelt worden. Erzählen Sie uns von Ihrer Arbeit mit MRTs und was uns das über das Gefühlsleben unserer besten Freunde verraten kann.

Vor etwa fünf Jahren hatte ich diese verrückte Idee: Ob ich wohl meinen eigenen Hund darauf trainieren könnte, in einen MRT zu gehen, um zu sehen, was er denkt und ob er meine Gefühle erwidert?

Callie ist ein schwarzer Terriermischling, den ich aus einem der örtlichen Tierheime adoptiert habe. Sie hatte keine besonders charakteristischen Merkmale, außer dass sie – wie viele Terrier – ein echtes Energiebündel und sehr neugierig war.

Wir begannen mit einfachen Dingen: Wir brachten ihr ein Handzeichen bei, das bedeutete, dass sie ein Leckerli bekommen würde, und ein anderes, das „kein Leckerli“ bedeutete. Als wir das taten, konnten wir eine Aktivität in den Belohnungsbahnen ihres Gehirns beobachten – ein Hinweis darauf, dass die Technik funktionierte.

"What It's Like to Be a Dog“ von Gregory Berns.

 

Foto von Hachette Book Group

Ich tat mich mit einem örtlichen Hundetrainer zusammen und wir gingen die vielen einzelnen Schritte durch, die nötig sind, um einen Hund für einen MRT auszubilden. Als erstes bauten wir bei mir zu Hause einen MRT-Simulator und machten Callie mit den sehr lauten Geräuschen vertraut, die diese Maschinen erzeugen. Ich nahm die Geräusche der Magnete auf und spielte sie zu Hause bei niedriger Lautstärke ab, während ich ein Spiel mit ihr spielte und die Lautstärke allmählich auf das reale Niveau erhöhte. Es dauerte insgesamt etwa 2 bis 3 Monate, wobei ich hauptsächlich viel Herumprobierte. Aber es stellte sich heraus, dass es einfacher war, als ich dachte.

Unser Erfolg mit Callie ermutigte uns dazu, die Hundebesitzer in Atlanta darüber zu informieren, dass wir nach Freiwilligen für die Teilnahme an diesem Projekt suchten.

Jeden Sonntag hielten wir MRT-Kurse ab. Die Leute brachten ihre Hunde mit und wir gaben ihnen MRT-Attrappen, die sie zum Üben mit nach Hause nehmen konnten. Binnen eines Jahres hatten wir ein Team von fast 20 Hunden.

Mit so vielen Teilnehmern fingen wir an, viel interessantere, kompliziertere Dinge im Scanner zu tun. Zum Beispiel wollten wir herausfinden, wie die Hunde Gerüche verarbeiten, wie sie Menschen und ihren Haushalt anhand ihres eigenen Geruchs erkennen.

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Genau wie menschliche Babys nutzen auch Hunde nonverbale Kommunikation, um zu bekommen, was sie wollen.

Vielen Wissenschaftlern fällt es schwer, die Vorstellung zu akzeptieren, dass Tiere Gefühle haben. Die meisten Menschen, die mit Hunden leben, verstehen diesen Fakt aber intuitiv. Die Verwirrung entsteht erst, weil wir Sprache haben und diese Gefühle benennen können. Wir haben Worte für Dinge wie Liebe, Angst, Traurigkeit oder Schuldgefühle. Aber was auch immer wir taten, um bei den Tieren positive Emotionen hervorzurufen, verdeutlichte, dass Hunde einen analogen Hirnaufbau zu Menschen haben.

Sie vermuten, dass es bei Hunden und Menschen auffällige Ähnlichkeiten sowohl in der Struktur als auch in der Funktion einer Schlüsselregion des Gehirns gibt: dem Nucleus caudatus.

Der Nucleus caudatus ist eine Struktur, die allen Gehirnen gemeinsam ist, insbesondere bei Säugetieren. Die verfügen außerdem über die größte Dichte an Dopaminrezeptoren. Dopamin wurde früher als bloßer Gute-Laune-Neurotransmitter angesehen, aber es ist eigentlich viel komplexer.

Der Nucleus caudatus ist aktiv, wenn sich ein Individuum in einem Zustand der Antizipation befindet – es passiert etwas und man muss entscheiden, was man mit dieser Information anfängt. Besonders starke Aktivität zeigt sich, wenn es eine positive Information ist. Man sieht etwas und will sich dem nähern oder es vielleicht essen.

Wenn wir sehen, dass diese Struktur bei Hunden aktiv ist, können wir das so interpretieren, dass sie etwas erleben, was ihnen wichtig ist und was ihnen gefällt. Das ist absolut analog zu dem, was im menschlichen Gehirn unter den gleichen Bedingungen geschieht.

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Natürlich sind Hundegehirne trotzdem keine Menschengehirne. Ein bedeutender Unterschied liegt in der Größe. Ein Hundehirn ist bestenfalls so groß wie eine Zitrone, wenn es sich um einen großen Hund handelt. Es ist einfach nicht so groß und deshalb können Hunde einige Dinge nicht tun, die wir hingegen tun können.

Der wahrscheinlich größte Unterschied besteht in der Sprache. Man braucht kein MRT, um zu wissen, dass Hunde nicht mit uns sprechen können – zumindest nicht mit Worten. Eine offene Frage, an der wir derzeit arbeiten, ist, wie viel von unserer Sprache sie tatsächlich verstehen.

Wir können ihnen mit Hilfe von verbalen Kommandos alle möglichen Tricks und Aufgaben beibringen. Aber es ist unklar, ob Hunde verstehen, dass Worte symbolische Platzhalter für andere Dinge sind. Wahrscheinlich verarbeiten Hunde die menschliche Sprache einfach auf eine viel direktere Art und Weise und verbinden die Laute nur mit bestimmten Handlungen. Sie hätten dann also kein tiefes Verständnis der abstrakten, semantischen Qualität.

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Es gibt ein paar Hunde, bei denen ein Vokabular von 1.000 Wörtern dokumentiert wurde. Aber keiner der Hunde in unserem Projekt kam daran auch nur annähernd heran. Wir haben ein Projekt durchgeführt, bei dem wir ihnen die Namen von zwei neuen Spielzeugen beigebracht haben – und das hat ewig gedauert! [Lacht]

Etwas, das uns Tierhalter fasziniert, ist die Frage, ob unsere Tiere uns wirklich lieben. Erzählen Sie uns von dem Labyrinth-Experiment.

Dabei geht es darum, ob die Tiere mit Futter belohnt oder nur gelobt werden. Bei Menschen kann man ähnliche Analogien zu der Frage finden, was uns dazu motiviert, einen anderen Menschen zu mögen. Bei Hunden steht immer diese übergeordnete Frage im Raum: Versuchen sie uns nur reinzulegen, indem sie einen auf niedlich machen?

In dem Experiment zeigten wir ihnen ein Objekt, das ihnen signalisierte, dass sie Futter bekommen würden. Ein anderes Objekt bedeutete, dass ihre Besitzerin auftauchen und sie loben würde. Es gab eine Handvoll Hunde, die dieses Lob dem Futter vorzogen. Es gab aber auch ein paar Hunde am anderen Ende des Spektrums. Für sie drehte sich wirklich alles um das Futter! [Lacht] Aber die überwiegende Mehrheit der Hunde reagierte gleichermaßen auf das Futter und auf Lob.

Sie haben Ihre Forschung auch auf andere Tiere ausgedehnt, insbesondere auf Seelöwen. Erzählen Sie uns von Ihren Experimenten zu Rhythmus und Synkopen.

Uns wurde schnell klar: Wenn Hunde all diese Dinge tun können, dann können das sicher auch viele andere Tiere. Also begannen wir, uns die Gehirne anderer Tiere anzusehen, darunter Seelöwen und Delfine.

Diese Experimente sind aber ganz anders, weil wir diese Tiere nicht darauf trainieren können, in einen Scanner zu gehen. Stattdessen waren wir auf Hirnproben von verstorbenen Tieren angewiesen. Dann analysierten wir die Bahnen in ihren Gehirnen und verglichen sie mit denen von Menschen und anderen Tieren.

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Eines der Dinge, für die wir uns bei den Seelöwen interessierten, war ihre Fähigkeit, rhythmischen Mustern zu folgen – oder einfacher ausgedrückt: ihre Fähigkeit zu tanzen. Dazu gibt es mehrere Theorien. Eine besagt, dass nur Tiere mit einem flexiblen Stimmapparat diese Fähigkeit haben, weil sie an den Rhythmus gebunden ist.

Seelöwen sind stimmlich aber nicht sehr flexibel. Sie können bellen und ein paar andere Laute ähnlich wie Hunde produzieren. Aber ein Seelöwe in Kalifornien konnte lernen, einem Rhythmus zu folgen. Nicht nur bei sowas wie einem Metronom, sondern echte Musikrhythmen.

Es ist ähnlich wie beim Stepptanz: Beim Tanzen zur Musik besteht eine sehr direkte Verbindung zwischen den Geräuschen, die wir hören, und unseren motorischen Systemen. Die Musik regt unsere Füße und Hände dazu an, sich in diesem Rhythmus zu bewegen.

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Es wirkt ein bisschen so, als würden diese Schneeeule und der Polarfuchs miteinander spielen.

Es wurde angenommen, dass diese Fähigkeit durch Sprache erlernt wird, weil Sprache selbst rhythmisch ist. Aber als man sie auch bei Tieren wie Seelöwen entdeckte, die keine Sprache haben, wurde klar, dass es sich dabei um ein viel grundlegenderes Merkmal handelt – und zwar eines, das sich wahrscheinlich lange vor dem Menschen entwickelt hat.

Sie haben auch zu dem ausgestorbenen Beutelwolf geforscht. Was haben die Scans, die Sie vom Beutelwolf-Gehirn gemacht haben, über das Verhalten dieses Tieres ergeben?

Es wird angenommen, dass der Beutelwolf, auch bekannt als Tasmanischer Tiger, 1936 ausgestorben ist. Er sah einem Hund oder Wolf sehr ähnlich, war aber in Wirklichkeit ein fleischfressendes Beuteltier, das nicht mit den Caniden verwandt war, da sich die Beuteltiere vor über 100 Millionen Jahren von anderen Säugetieren abgespalten haben.

Die Tatsache, dass er wie ein Hund aussieht, ist das Ergebnis von „konvergenter Evolution“. Das bedeutet in dem Fall, dass dieses Tier, welches aus einer anderen Abstammungslinie stammt, sich so entwickelt hat, dass es wie ein Hund aussieht, weil es die gleiche ökologische Nische belegt.

Ich wollte wissen, ob auch sein Gehirn wie das eines Hundes aussieht. Das war ein Problem, weil es nicht sehr viele verfügbare Exemplare gibt. Also musste ich die Welt nach intakten Gehirnen durchforsten. Schließlich konnte ich zwei von ihnen scannen: eines hier in den USA und das andere in Australien. Wir stellten fest, dass das Gehirn ganz anders ist als das eines Hundes. Es ist näher an anderen Beuteltieren wie dem Tasmanischen Teufel oder einem Känguru.

Durch die Analyse dieser Exemplare konnten wir die relative Größe des Frontallappens rekonstruieren. So konnten wir abschätzen, was für Problemlösungsfähigkeiten diese Tiere hatten und ob sie sozial waren oder nicht. Es zeigte sich, dass der Beutelwolf wahrscheinlich nicht annähernd so sozial wie ein Hund war. Tatsächlich war er wahrscheinlich ziemlich unsozial, aber dennoch ein sehr gewitzter Problemlöser, wie sich aus den Verbindungen in seinem Frontallappen schließen ließ. Aber er wäre überhaupt kein gutes Haustier gewesen! [Lacht]

Sie sind dabei, eine Organisation namens Brain Ark aufzubauen, die 3D-Rekonstruktionen von Gehirnen der Megafauna enthalten wird. Was ist die Idee dahinter?

Die Idee besteht darin, ein digitales Archiv der Gehirne dieser Tiere zu erstellen, bevor sie verschwinden. Durch die Rekonstruktion ihrer Gehirne hoffen wir, ein besseres Verständnis dafür zu erhalten, was einen Tiger zu einem Tiger oder einen Bären zu einem Bären macht, und warum bestimmte Tiere mit zunehmender Veränderung ihrer Lebensräume mit größerer Wahrscheinlichkeit aussterben werden. So können wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, welche Tiere wir retten müssen, bevor sie verschwinden – vorausgesetzt, das kümmert die Menschen auch.

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Die meisten Wissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass mit großer Wahrscheinlichkeit das nächste große Massensterben begonnen hat. Zum Teil ist das auf den Klimawandel zurückzuführen, aber auch auf die Zerschneidung der Lebensräume, in denen Tiere leben. Der Mensch hat so ziemlich alle Landmassen auf dem Planeten in Mitleidenschaft gezogen, insbesondere dort, wo die großen Megafauna-Arten – Wale, Elefanten, Löwen oder Bären – Raum zum Überleben brauchen. Doch wenn sich ihre Lebensräume aufgrund von Straßen, Stromleitungen oder anderen vom Menschen geschaffenen Hindernissen verändern, können sie sich nicht mehr frei bewegen und sterben aus.

Indem wir ihre Gehirne untersuchen, wollen wir herausfinden, warum bestimmte Arten ein größeres Risiko haben, auszusterben – und warum andere mit größerer Wahrscheinlichkeit überleben.

Wie sieht Ihr nächster Schritt bei der Erforschung des Hundegehirns aus? Und wie hat Ihre Arbeit Ihr Leben und Ihre Einstellung zu Tieren verändert?

Großartige Frage! Mit dem Hundeprojekt tauchen wir tiefer in die Art und Weise ein, wie sie lernen. Das machen wir, indem wir die Veränderung ihrer neuronalen Bahnen im Scanner untersuchen, während sie tatsächlich Dinge lernen. Das wird ein großer Vorteil für das Zusammenleben mit Hunden, für ihr Training und für die Behandlung von Hunden mit Verhaltensproblemen.

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Wie hat es mein Leben verändert? Zunächst einmal habe ich jetzt mehr Hunde in meinem Haus! Und ich kann den größten Teil meines Arbeitstages mit Hunden verbringen.

Insgesamt habe ich dadurch eine größere Wertschätzung für das reiche Innenleben der Tiere gewonnen und für die Erkenntnis, dass sie Gefühle haben, die denen von uns sehr ähnlich sind – auch wenn sie keine Worte haben, um sie zu beschreiben. Ich bezeichne sie als „nicht-menschliche Personen“.

Dieses Interview wurde zugunsten von Länge und Deutlichkeit redigiert.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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