Ist Bio immer besser?

Rund 80 Prozent der Menschen in Deutschland kaufen Biolebensmittel. Nicht nur aus Tierschutz- und Umweltgründen. Viele sind überzeugt, sich etwas Gutes zu tun. Doch wie gut ist Bio wirklich?

Schwein gehabt: Nur wenige Nutztiere in Deutschland haben freien Auslauf.

 

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Von Jens Voss
Veröffentlicht am 24. Mai 2022, 14:27 MESZ

Bio boomt. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel konnte seine Umsätze mit Ökoprodukten 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent steigern. Auch wenn Biolebensmittel mit einem Marktanteil von unter sieben Prozent immer noch Nischenprodukte sind: Über 8.000 Höfe haben in den vergangenen fünf Jahren hierzulande auf Ökolandwirtschaft umgestellt. Und immer mehr Menschen greifen zu.

Viele kaufen Bio, weil sie es für gesünder halten. Doch ist das wirklich so? Einen Hinweis darauf lieferte das EU-Forschungsprojekt QLIF im Jahr 2009. Die fünfjährige Studie, an der 35 Forschungseinrichtungen beteiligt waren, zeigte: In frischen Bioprodukten stecken offenbar mehr gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe als in konventionell erzeugten Lebensmitteln.

Ökogemüse wie Kohl, Salat, Tomaten oder Kartoffeln beispielsweise hätten einen höheren Gehalt an Antioxidantien und Vitaminen. Als Hauptgrund sahen die Autorinnen und Autoren der Studie die vergleichsweise schonende Düngung mit vorwiegend organischen Stoffen.

Wir werfen ein Drittel aller weltweiten Lebensmittel weg

Sind Biolebensmittel wirklich gesünder?

Doch nur drei Jahre später folgte die Ernüchterung. Forschende der Universität Stanford fanden keinen deutlichen Beweis dafür, dass biologische Lebensmittel gesünder oder nährstoffreicher seien. Immerhin reduziere Bionahrung das Risiko, schädliche Pflanzenschutzmittel zu sich zu nehmen.

Bis heute streitet die Wissenschaft darüber, ob Bio tatsächlich gesünder ist. Nach Ansicht des Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) greift diese Frage aber zu kurz. Mindestens ebenso wichtig sei der positive Einfluss des Ökolandbaus auf Tierschutz, Böden und Artenvielfalt.

Jede Landbewirtschaftung greife in die Natur ein. Der ökologische Landbau beeinträchtige sie jedoch weit weniger als die konventionelle Landwirtschaft. Tiere würden artgerechter gehalten, hätten Auslauf und bekämen ökologisches Futter. Der Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel entlaste das Grundwasser. Biologisch bewirtschaftete Böden seien in der Regel gesünder, Ökoflächen erheblich artenreicher.

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    Obst und Gemüse sind klar im Vorteil

    Und vermutlich nicht nur das: „Bio ist gut fürs Klima“, sagt Diplom-Agrarwissenschaftlerin Britta Klein vom BZfE. Gerade Obst und Gemüse aus Ökobetrieben seien oft klimafreundlicher als Erzeugnisse aus herkömmlicher Landwirtschaft. Nach Angaben des BZfe verbraucht der Ökolandbau bis zu einem Drittel weniger Energie. Damit werde auch weniger klimaschädliches CO2 freigesetzt. Hauptgrund: der Verzicht auf energieintensiven Mineraldünger.

    Nicht ganz so eindeutig fällt die Einschätzung des ifeu (Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg) aus. In einer Studie hat es den ökologischen Fußabdruck von 200 alltäglichen Lebensmitteln ermittelt. Demzufolge haben Biolebensmittel meist keine klaren Vorteile beim CO2-Fußabdruck, weil sie wegen geringerer Erträge in der Regel mehr Anbaufläche brauchen. 

    „Bio rettet nicht das Klima“

    Für viele überraschend, schneiden gerade tierische Bioprodukte beim Klimaeffekt oft schlechter ab als Fleisch, Milch oder Eier aus konventioneller Landwirtschaft. Nach Berechnungen des ifeu werden beispielsweise bei der Produktion von einem Kilo Biorindfleisch durchschnittlich 21,7 Kilo CO2 freigesetzt, bei konventionell erzeugtem Rindfleisch nur 13,6 Kilo. Ökologisch arbeitende Viehhalter benötigen mehr Fläche und größere Ställe für vergleichsweise weniger Tiere.

    Alles in allem würden die höheren Emissionen aber durch den deutlich geringeren Pestizideinsatz, nachhaltigere Bodenbewirtschaftung und größere Artenvielfaltviel mehr als wettgemacht. „Hier zeigt sich, dass der alleinige Blick auf die CO2-Emissionen nicht die ganze ökologische Wahrheit sagt“, sagt Studienleiter Guido Reinhardt. Sein Fazit: „Bio rettet nicht das Klima – aber Wasser, Boden und Ressourcen.“

    Bio oder regional?

    Wie aber steht es um die Ökobilanz, wenn Bioprodukte zuerst um den halben Globus reisen müssen, bevor sie in unseren Supermärkten landen? Fakt ist: Nur 10,2 Prozent der Agrarflächen in Deutschland werden ökologisch bewirtschaftet. Damit können deutsche Bauern die hohe Nachfrage nicht decken. Inzwischen kaufen 80 Prozent der Menschen in Deutschland regelmäßig Biolebensmittel. Viele Produkte stammen aus dem Ausland, wo sie oft auch billiger produziert werden können.

    Äpfel aus Neuseeland – ist das ökologisch überhaupt sinnvoll? Das Bundeszentrum für Ernährung kommt zu einem Ergebnis, das viele Verbraucher erstaunen dürfte: Ein weiter Transportweg sei keineswegs immer ein K.O.-Kriterium für Biolebensmittel. Äpfel aus Übersee im Frühling zum Beispiel hätten eine bessere Klimabilanz als heimische Früchte, die schon ein halbes Jahr gelagert wurden. Denn auch die Lagerung verschlingt viel Energie.

    Das ändere aber nichts daran, dass zuallererst Saisonware aus der Region im Einkaufswagen landen sollte. Die ifeu-Studie zieht ein ähnliches Resümee: Frische, saisonal und regional angebaute sowie möglichst unverpackte Lebensmittel sind meist deutlich umwelt- und klimafreundlicher als außerhalb der Saison importierte Waren aus fernen Ländern.

    Klar im Vorteil: Pflanzliche Lebensmittel. Sie sind so gut wie immer klima- und umweltfreundlicher als tierische Produkte. Beim Anbau von einem Kilo Kartoffeln – egal ob Bio oder nicht – gelangen beispielsweise nur 0,2 Kilo CO2 in die Atmosphäre.

    Am besten für Klima und Umwelt: Frisches, saisonal und regional angebautes Obst und Gemüse – wenn möglich in Bio-Qualität.

    Foto von Joern / stock.adobe.com

    Schmeckt Bio anders?

    Gesundheit, Umwelt- und Tierschutz oder das Klima sind für viele Menschen aber nicht die einzigen Kaufkriterien für Bioprodukte. Etliche Konsumenten glauben fest daran: Bio schmeckt anders oder sogar besser. Die Verbraucherschützer von Stiftung Wartentest wollten das in einer Blindverkostung überprüfen. Das Resultat: Bio ließ sich nicht herausschmecken.

    Sensorikexpertin Kirsten Buchecker von der Uni Bremerhaven ist anderer Meinung. „Bio kann anders schmecken“, sagt die Diplomingenieurin für Lebensmitteltechnologie. Das hänge aber davon ab, für welchen Markt ein Bioprodukt produziert wird.

    Wolle die Industrie einfach ein konventionelles Produkt imitieren, gebe es keine Unterschiede. Ein eigenständiges, möglichst natürliches Produkt dagegen schmecke auch anders. Zum Beispiel, weil dann in der Regel viel weniger Zusatzstoffe und andere Herstellungsverfahren zum Einsatz kämen.

    Unsere nächsten Verwandten sehen das offenbar genauso. In einem Versuch im Kopenhagener Zoo hatten sich Affen gezielt Biobananen ausgesucht und sie mitsamt der Schale verspeist. Konventionell angebaute Früchte dagegen hatten sie zuerst geschält. Über Geschmack lässt sich eben doch streiten.

     


    Das Biosiegel der EU.

    Foto von EU-Kommission

    Was bedeuten die Biosiegel?

    Die Begriffe „Bio“ und „Öko“ sind gesetzlich geschützt. Alle Lebensmittel, die in der EU unter diesen Bezeichnungen auf den Markt kommen, unterliegen strengen Vorschriften und Kontrollen. Das EU-Biosiegel wurde 2010 als EU-weit verbindliches Kennzeichen eingeführt.

    Es garantiert unter anderem, dass der Naturschutz bei der Produktion berücksichtigt und die Artenvielfalt gefördert wird. Chemische Pflanzenschutzmittel und synthetische Dünger sind stark eingeschränkt. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind verboten.

    Tiere werden artgerecht gehalten, haben Auslauf und bekommen ökologisches Futter. Jeder Biobetrieb erhalten mindestens einmal im Jahr Besuch von einer Kontrollstelle und muss nachweisen, dass er sich an die europäische Ökoverordnung hält.

    Schon vor der Ökoverordnung der EU haben sich ökologisch wirtschaftende Bauern in Bioanbauverbänden wie Bioland, Naturland oder Demeter organisiert. Sie haben eigene Richtlinien zum Anbau und zur Verarbeitung, die in vielen Punkten strenger sind als die EU-Vorgaben.

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