Wie man mit Weißen Haien taucht

Die Hawaiianerin Ocean Ramsey schwimmt mit den größten Haien der Welt. Wie sie so nah herankommt, warum Haie keine gefährlichen Killer sind und wie wir alle die Ozeane schützen können, erklärt sie im Interview.

Von Anna-Kathrin Hentsch
Veröffentlicht am 10. Dez. 2020, 19:58 MEZ
Wie man mit Weißen Haien taucht

Mit einem Weißen Hai tauchen gehört laut Ocean Ramsey, der bekannten hawaiiarischen Biologin mit einem Faible für die schwimmenden Jäger, zu den beeindruckendsten Erfahrungen die man machen kann. Wie man den Tieren nah kommt, erzählt sie im Interview.

Foto von Andrea Izzotti

Mit ihren Instagram-Posts erreicht die Umweltaktivistin Ocean Ramsey inzwischen nicht nur ihre weit mehr als 1 Million Fans, sondern auch international mediale Aufmerksamkeit. Denn ihre Bilder und Videos sind ebenso spektakulär wie ihre Botschaft. Das Freitauchen mit Haien - auch mit großen Weißen Haien - nutzt die junge Meeresbiologin und Tauchlehrerin, die auch als Model arbeitet, um auf den Schutz der Haie aufmerksam machen. Sie lebt und arbeitet auf Hawaii, ihr Unternehmen One Ocean ist ein Programm, das jedem offen steht, der nach Hawaii kommt. Zusammen mit ihren Mitarbeitern geht es Ramsey um die Erhaltung, Erforschung, Bildung und das Tauchen. Bucht man beispielsweise ein Schnorchelabenteuer, sind nicht nur ausgebildete Sicherheitstaucher mit an Bord, sondern auch Meeresbiologen, die über die Biologie, Physiologie und das Verhalten von Meereslebewesen aufklären. Und auch wer es nicht nach Hawaii schafft, kann in den Online-Kursen digital mit Haien abtauchen und alles über deren Persönlichkeit, sowie einen sicheren Umgang mit ihnen erfahren.

Ocean Ramsey, was möchtest Du mit all den Dingen erreichen, die Du unter und über Wasser tust?

Mein Hauptziel ist es, den Naturschutz zu fördern und so viele Haie und Meerestiere wie möglich zu retten. Ich hoffe, dass all meine Bemühungen, die ich über und unter der Meeresoberfläche unternommen habe, die Menschen dazu inspirieren, Haie mit einem anderen Blick zu sehen, dem Ozean eine Chance zu geben und Schutzmaßnahmen zu unterstützen.

Was wäre dieser andere Blick auf Haie? Die meisten von uns sehen in Haien stumpfsinnige Monster, Du siehst in ihnen dagegen evolutionäre Perfektion.

Menschen betrachten Haie oft als Monster, weil sie in den traditionellen Medien falsch dargestellt werden. Wenn ich in ihnen evolutionäre Vollkommenheit sehe, liegt das an meinem Verständnis für sie und für ihre ökologische Bedeutung. Ich habe so viel Zeit damit verbracht, das natürliche Verhalten von Haien zu beobachten. Es steht im totalen Gegensatz zu dem, was wir normalerweise im Fernsehen sehen - also zu den äußerst seltenen Haibissen oder Verletzungen, die eine Nachricht auslösen. Tatsächlich sterben jährlich weltweit ungefähr zehn Menschen an einem Vorfall der mit Haien zusammenhängt. Doch man muss diese Zahl in ein Verhältnis setzen: Jeden Tag rund um die Uhr kommen Haie an Tauchern vorbei, das wissen wir zum Beispiel durch Satelliten-Tags. Ich schwimme auch jeden Tag mit Haien und nehme dabei Menschen aus der ganzen Welt mit. Und es passiert nichts. Sie schwimmen nur um uns herum. Haie gleiten die meiste Zeit sehr energiesparend durch das Meer, kümmern sich um ihre eigenen Angelegenheiten und meiden im Allgemeinen die Menschen. Ich versuche den Menschen zu helfen, in einem Hai ein Raubtier, aber nicht das Monster zu sehen, als das er häufig dargestellt wird.

Galerie: 6 Haie, die ihr (vielleicht) noch nicht kennt

Haie haben also kein Interesse an Menschen und menschlichem Blut?

Durch die Arbeit an meinem Boot ziehe ich mir oft Schnitte an den Händen zu. Ich habe das also ausgiebig getestet, wenn ich mit Bullen-, Tiger- und Weissen Haien im Wasser bin (lacht). Egal welche Haiart, es keine Veränderung in ihrem Verhalten. Sie kommen weder auf mich zu, noch verhalten sie sich nervös. Sicher, sie können das menschliche Blut riechen, denn sie haben einen erstaunlichen Geruchssinn. Sie erkennen deshalb den Unterschied zwischen menschlichem Blut und Fischblut, riechen sogar verschiedene Fischarten heraus. Sie reagieren unterschiedlich auf alten Fisch, neuen Fisch oder diverse Tierblutarten. Aber sie sind nicht hinter menschlichem Blut her, dahin haben sie sich nicht entwickelt. Denn sie hatten in der Evolution nicht die Gelegenheit, danach zu streben. Ich habe es bei meinen Tauchgängen in abgelegenen Atollen selbst gesehen: Die Beine der Taucher wurden von den Korallen aufgerissen und bluteten sehr stark ins Wasser. Man konnte das Blut sehen, wie es sich verteilte und die hunderten Haie beobachten, denen es egal war.

Was sollten Surfer, Taucher und Schnorchler wissen und beachten?

Das ist schwer zusammenzufassen - ich habe darüber ein ganzes Buch verfasst (lacht). Deshalb ermutige ich die Leute auf jeden Fall, das Buch zu lesen. Man sollte wissen, dass Haie keine Monster sind, sondern sehr intelligent. Um nachteilige Wechselwirkungen mit ihnen zu vermeiden sollte man ganz generell unruhige, trübe Gewässer meiden, in Küstennähe bleiben, immer mit einem Buddy tauchen, sich ständig umblicken und Geräusche, wie das Schlagen auf die Wasseroberfläche und Lärm unter Wasser, vermeiden, damit sie entspannt bleiben. Haie haben ein hochentwickeltes sensorisches System und damit auch einen sehr guten Gehörsinn. Man selbst sollte auch entspannt bleiben, damit die eigene Körpersprache wirkt, als wäre man ein selbstbewusstes Raubtier, anstatt ein leicht abzucheckender Konkurrent.

BELIEBT

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    Woher kommt unsere Angst vor Haien?
    Einen Hai zu sehen, kann ziemlich beängstigend sein. Nicht ohne Grund: Haie gehören zu den mächtigsten Raubtieren des Ozeans. Und ja – sie greifen gelegentlich Menschen an, die in ihren Lebensraum eindringen. Rachsüchtige Menschenfresser sind sie jedoch nicht, auch wenn sie in Medien oft so dargestellt werden. Im Gegenteil: Schätzungsweise 100 Millionen Haie werden jedes Jahr von Menschen getötet, was eine Reihe von Arten an den Rand der Ausrottung brachte.

    Trägst Du eine spezielle Ausrüstung, um wie ein Bewohner des Meeres anstatt wie ein Unterwasser-Tourist auszusehen?

    Ich trage biomimetische Anzüge, die mich wie ein Wal- oder Tigerhai aussehen lassen, oder Anzüge in dunkleren Farben und Blautönen. Ich liebe das Freitauchen, obwohl ich seit über fünfzehn Jahren auch Tauchlehrerin bin. Freitauchen erlaubt mir, im Wasser sehr anmutig zu sein und keine Blasen zu machen. Es scheint mir als wenn Haie, Delfine, Wale und Schildkröten mich so eher wie ein Meerestier behandeln und sich weniger bedroht fühlen. Aber in einigen Regionen der Welt ist es sehr schön mit Tauchflaschen zu tauchen - ich mag beides, abhängig davon, was ich tue.

    Warum ist Meeresschutz so wichtig und was kann jeder tun, um die Ozeane zu schützen?

    Es ist wichtig, dass die Menschen verstehen, dass sie mit jedem Euro abstimmen und ihre täglichen Verbraucherentscheidungen einen enormen Einfluss haben können - nicht nur auf Haie, sondern auf viele Tiere und die gesamte Natur. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders die Beifänge der industriellen, kommerziellen Fischerei erwähnen: Hier kommen mindestens sechshundert Meilen Langleinen mit Köderhaken und massive Netze zum Einsatz. Fünfzig Prozent der Meeresverschmutzung stammen von diesen Netzen und Kunststoffen der industriellen Fischereifahrzeuge. Für jeden Fisch, der so gefangen wird, müssen 9-12 andere Tiere sterben. Die meisten von ihnen sind Haie, aber auch Seevögel, Schildkröten, Wale und Delfine. Wer also versucht Meeresfrüchte von großen industriellen Fischereiflotten zu vermeiden, plus soweit es geht auf Einwegplastik verzichtet - als Verbraucher also bewusst einkauft - leistet einen grossen Beitrag und reduziert die Kosten für die marine Welt und Umwelt. Zusätzlich kann man seinen CO2-Fußabdruck reduzieren, indem man Getreide kauft statt Fleisch. Jede Verbraucherentscheidung kann dazu beitragen, die Auswirkungen des Menschen auf den Planeten zu verringern. Und auch so kann jeder helfen: Ein Clean-up im Park, an einem Bach, Fluss oder Meer hilft die Natur von Müll zu befreien.

    Du bist furchtlos und veränderst die Welt. Siehst Du dich als Vorbild?

    Ich denke, dass jeder in gewisser Weise sein eigenes Vorbild sein und sich selbst vorantreiben und herausfordern sollte. Sei einfach besser aus dir selbst heraus und vergleiche dich nicht mit anderen Menschen. Wenn Leute mich ansehen, und sich denken `Wenn sie es kann, kann ich es auch schaffen´, dann ist das sehr wichtig, und das höre ich gerne. Manchmal haben Frauen in der Gesellschaft das Gefühl, dass sie nur auf eine bestimmte Art und Weise sein oder nur eine bestimmte Art von Arbeit erledigen können. Aber man kann alles tun, niemand ist besser als der andere. Ich hoffe, dass immer mehr Frauen ihre Leidenschaften forcieren und ihnen nachgehen. Und nicht nach den Dingen streben, die ihre Eltern oder ihre Familie wollen. Ich mag das Zitat „Was würdest Du versuchen, wenn Du wüsstest, dass Du nicht scheitern kannst?“. Ich denke, wer tut was er liebt wird glücklicher sein und wahrscheinlich mehr Einfluss auf die Welt nehmen.

    Was treibt Dich an?

    Mein Leben für etwas Größeres als mich selbst zu leben - und das sind die Haie, der Ozean und all diese schönen Meerestiere, die mir die besten Momente meines Lebens schenken. Ich möchte eine Stimme für sie sein und zu etwas Größerem beitragen. Ich denke, wenn man die Zeit die man sich nehmen kann für eine Sache einsetzt die größer ist als man selbst, kann man tiefes Glück finden, weil man die Welt schöner macht.

     

    In Ocean Ramseys Buch „What You Should Know About Sharks“ (deutsch: „Was Du über Haie wissen solltest“) können Menschen auf eine Menge Informationen über Haie zugreifen: Es behandelt die Körpersprache und das Verhalten von Haien, setzt sich mit menschlichen Auswirkungen und Sicherheitsinformationen auseinander. Der Inhalt ist spannend für jeden - egal ob man absichtlich mit Haien tauchen möchte, Taucher, Surfer, Speer-Fischer oder Schwimmer ist und Haie meiden oder mit ihnen interagieren möchte.

    Sechs Fakten über Haie

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