Illegales Goldschürfen fördert Malaria-Ausbrüche im Amazonas

Der beunruhigende Zusammenhang zwischen der Abholzung des Regenwalds, Goldminen und Malaria könnte 2020 zu vermehrten Krankheitsausbrüchen führen.

Von Jill Langlois
Veröffentlicht am 18. Aug. 2020, 10:04 MESZ
März 2008: Die „Garimpo do Juma“ – eine Goldmine am Fluss Juma in Apuí, Brasilien – ...

März 2008: Die „Garimpo do Juma“ – eine Goldmine am Fluss Juma in Apuí, Brasilien – erstreckt sich mit einer Grubentiefe von bis zu 25 Metern über eine Fläche von 10 Hektar. Durch den Bau der Mine wurde der Regenwald an dieser Stelle unwiederbringlich zerstört.

Foto von Emiliano Mancuso, Contrasto, Redux

SÃO PAULO, Brasilien. Wenn der Regenwald brennt, folgen die Moskitos in Schwärmen.

Die Minenarbeiter brennen Stück für Stück die Bäume nieder und graben danach auf der Suche nach Gold tiefe Löcher in das gerodete Land. Viele dieser Minen entstehen in geschützten Bereichen neben den Lichtungen und zerstören so noch mehr Wald, der die Lebensgrundlage für die hier wohnenden Menschen bildet. Die höhlenartigen Krater füllen sich mit Wasser, das vor allem nach dem Verlassen der Minen als stehendes Kleingewässer zurückbleibt. Hier sitzt die Quelle für Krankheiten wie Malaria, die von Insekten auf den Menschen übertragen werden, und die sich nun leichter ausbreiten können.

„All diese Tümpel sind ideale Kinderstuben“, sagt Marcia Castro, Vorsitzende des Instituts für Global Health and Population an der Harvard University. „Seit den 80ern finden sich im Amazonas immer wieder Beispiele wo dem Ausheben der Gruben ein Ausbruch von Malariainfektionen folgt.“

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Regenwaldabholzung könnte zum Problem für die öffentliche Gesundheit werden

Die Abholzung im Amazonas ist in den ersten sechs Monaten von 2020 um 25 Prozent gestiegen. Die großen Gruben der Goldsucher haben riesige Flächen im Regenwald vernichtet und werden nun zur Brutstätte für krankheitsübertragende Moskitos.

Diese Verbindung – zwischen Waldzerstörung und Krankheiten – versetze Amazonas-Experten und Einheimische dieses Jahr gleichermaßen in Alarmbereitschaft. Schon im vergangenen Jahr stieg die Abholzung in der Region auf ein Rekordniveau und auch das erste Halbjahr 2020 setzte diesen Trend fort, ohne Aussicht auf Besser. Es ist Rodungs-Saison im Regenwald und die Regierung macht keine großen Anstalten, die Zerstörung zur überwachen und einzudämmen.

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    Außerdem befindet sich der Goldpreis mit mehr teilweise mehr als 2.000 US-Dollar pro Feinunze (entspricht ca. 62.500 US-Dollar pro Kilogramm) auf dem höchsten Stand seit 10 Jahren. Das macht illegale Minen, die oft in Schutzgebieten oder auf dem Land der indigenen Bevölkerung errichtet werden, so  attraktiv. Doch diese Minen hinterlassen dem Amazonas die perfekte Kinderstube für Moskitos – und eine weitere Bedrohung der öffentlichen Gesundheit, die es zu bekämpfen gilt.

    Das Zusammenspiel von Abholzung, Goldminen und Malaria

    Waldzerstörung kann immer eine erhöhte Infektionsrate von Krankheiten nach sich ziehen, die durch Insekten übertragen werden. Doch die Gruben, die durch die illegalen Goldminen zurückbleiben, biete ideale Bedingungen für die Fortpflanzung von Anopheles, der Malariamücke, sagt Rachel Lowe von der London School of Hygiene and Tropical Medicine.

    In den Jahren 2017 bis 2019 vernichtete der Goldabbau über 10.000 Hektar Land in drei indigenen Territorien – Munduruku, Yanomami, und Kayapó – im brasilianischen Amazônia Legal (BLA). Diese soziogeografische Einheit umfasst die neun Bundesstaaten des Amazonasbeckens und wurde 1948 von der brasilianischen Regierung gegründet, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Region besser planen zu können. Die gerodete Fläche entspricht laut Angaben der gemeinnützigen Organisation Amazon Conservation rund 14.000 Fußballfeldern.

    Auf dem Land der Munduruku hat sich die Zerstörung des Regenwalds und der Bergbau in den Jahren 2018 und 2019 mehr als verdoppelt und kommt damit auf einen Stand von 2.000 Hektar pro Jahr.

    Dieser Verlust von Waldfläche setzt sich auch 2020 weiter fort und das nicht nur auf dem Land der indigenen Bevölkerung. Abholzung stieg laut dem brasilianischen Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (dt.: Nationales Institut für Weltraumforschung) im ersten Halbjahr überall im Amazonas um 25 Prozent an. Diese Statistik wird auch vom unabhängigen Institute of People and the Environment of the Amazon, einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung für Umweltschutz und Nachhaltigkeit bestätigt.

    Das Institut gibt außerdem an, dass 43 Prozent der Waldzerstörung im nördlichen Bundesstaat Pará stattfindet. Im Juni beginnt im Amazonas die Trockenzeit, jetzt können sich Feuer leichter ausbreiten. Zu diesem Zeitpunkt fanden 22 Prozent der Rodungen im BLA in Naturschutzgebieten statt und 3 Prozent auf indigenem Land.

    Inzwischen hat die Regierung des Bundesstaat Pará Zahlen veröffentlicht, die belegen, dass die Infektionsrate von Malaria in den Minengebieten in den ersten sechs Monaten von 2020 um 17,8 Prozent gestiegen ist. Allerdings könnte diese Quote noch viel höher sein, da viele Fälle nicht gemeldet werden. Erweitert man nun den Radius, belegen die Daten, dass die Fälle von insektenübertragenen Krankheitsinfektionen in der Region Tapajós – in der auch die Stadt Itaituba liegt –, im Vergleich zu 2019 um 32 Prozent gestiegen sind. In den indigenen Territorien des Bundesstaates liegt die Zahl bei 46,7 Prozent.

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    Die Arbeitsbedingungen in den illegalen Minen sind Teil des Problems. Wenn größere Landflächen gerodet werden, um Weiden für Vieh zu schaffen, kann das natürlich auch die Verbreitung von Malaria begünstigen. Doch die kleineren Lichtungen, auf denen Gold geschürft wird, beinhalten ein vielfach größeres Infektionsrisiko.

    „Ihr Umfang ist stark begrenzt und in der Regel leben Menschen in der Nähe, die allen Umwelteinflüssen stark ausgesetzt sind“, erklärt Castro. „Die Bedingungen sind also ideale Kinderstuben für mehr Moskitos und daher steigt auch die Infektionsrate.“

    Moskitonetze und andere Schutzmaßnahmen gibt es hier meist nicht und auch wenn Brasilien ein öffentliches Gesundheitswesen (SUS) gibt, ist der Zugang zu diesen entlegenen Regionen des Amazonas beinahe unmöglich, gibt André Siqueira an, der als Infektiologe für die Oswaldo Cruz Foundation (Fiocruz) in Rio de Janeiro forscht. Und selbst wenn es dort Krankenhäuser oder andere medizinische Einrichtungen gäbe, würde viele sie nicht aufsuchen, weil ihre Arbeit illegal ist.

    Luftaufnahmen von Esperanca IV, einer unauthorisierten Goldgrube in der Nähe des indigenen Menkragnoti-Territoriums in Altamira, Bundesstaar Pará, Brasilien. Amazonasbecken, 28. August 2019.

    Foto von Joao Laet, AFP, Getty

    Stattdessen greifen die Minenarbeiter, die allgemein wenig über Prävention und Behandlung von Krankheiten wie Malaria aufgeklärt werden, oft zur „Selbstmedikation“, bei denen sie kleinere Dosen der Arzneimittel als notwendig einnehmen und tagelang unter der Infektion leiden. Oder aber sie schlucken Anti-Malaria-Medikamente bei jedem kleinen Fieber, sagt Siquiera.

    Ziehen sie dann weiter von einem Regenwaldgebiet ins nächste, bringen sie Malaria mit. Die Krankheit kann nicht direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden. Beißt aber ein Moskito eine mit Malaria infizierte Person, kann er den Parasiten, der die Krankheit verursacht, auf andere Menschen übertragen. Das kann Leute in den Heimatstädten der Minenarbeiter betreffen, wenn diese nach Hause zurückkehren, aber auch die indigene Bevölkerung, die in den angrenzenden Amazonasgebieten leben.

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    Karo Munduruku hat sein ganzes Leben im Praia do Mangue Indigenous Reserve verbracht. Das Reservat liegt vor den Toren von Itaituba, der Hauptstadt des Bundesstaats Pará, die von den Einheimischen den Spitznamen Nugget Town bekommen hat. Illegale Goldschürfer, in Brasilien garimpeiros genannt, haben schon vor ihrer Geburt damit begonnen, das Land der Munduruku auszubeuten.

    „Ich werde mich nie an die Zerstörung gewöhnen, die sie hinterlassen“, sagt er.

    Als sich die öffentliche Aufmerksamkeit den explodierenden Fall- und Todeszahlen von COVID-19 zuwandte, nutzte die Regierung die Gelegenheit, um die Schutzgesetze für die Erhaltung des Amazonas weiter zu schwächen. Munduruku befürchtet, dass die Abholzung auch die Gesundheit seiner eigenen Familie bedrohen wird. Er erinnert sich noch genau daran, wie sich seine beiden jüngeren Brüder vor Jahren mit Malaria infizierten, an die wochenlangen Fieberschübe, Schüttelfrost, Schweißausbrüche und Übelkeit. Das soll nicht noch einmal passieren.

    Dazu kommt, dass die Migration in den Amazonas in den vergangenen Jahren zugenommen hat, weil immer mehr Menschen aus Venezuela und anderen südamerikanischen Staaten vor der wirtschaftlichen und politischen Krise ihrer Heimatländer nach Brasilien fliehen. Jemand, der sich im brasilianischen Amazonas mit Malaria ansteckt, könnte viel später einen Ausbruch der Krankheit in ganz anderen Ländern verursachen.

    „Damit könnte die Ansteckungsrate wieder steigen“, sagt Lowe, die erforscht wie Umwelt- und sozio-ökonomische Faktoren das Risiko von Krankheitsübertragungen beeinflussen. Überall auf der Welt sind Menschen von Krankheiten betroffen, und einen Weg zu finden, die Verbindung zwischen der Gesundheit der Menschen und die der Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist immens wichtig.

    Um das Gleichgewicht in dieser Region wiederherzustellen, kann es für Castro nur ein radikales Umdenken geben. Die Entwicklungsbetrebungen im Amazonas zielen ihrer Meinung nach seit jeher auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ab – vom Gummi-Boom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Goldrausch der bis heute anhält. Nimmt man sich dagegen die indigene Bevölkerung und andere Gruppen, die im Amazonas leben, zum Vorbild, muss ein Model entwickelt werden, mit dem die Ressourcen des Regenwalds gleichermaßen genutzt wie geschützt werden.

    „Diese Menschen wissen, wie man den Wald nachhaltig nutzt und es gibt eine gute Datenlage, die es uns erlauben würde, den Amazonas profitabel und produktiv zu machen, ohne die Abholzung weiter voranzutreiben“, sagt sie. „Die heutige Situation ist allein der Tatsache geschuldet, dass unser bisheriges Vorgehen falsch ist.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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